Archivfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Von Volker Knopf
Heidelberg/Karlsruhe. Unter dem Titel "Back to normal? Wie wird Corona unseren Alltag verändern?" lud die Heidelberger Akademie der Wissenschaften gemeinsam mit dem Karlsruhe Institute of Technology (KIT) in das Karlsruher Südwerk zur Podiumsdiskussion ein. Vertreter aus Medizin, Politik, Wirtschaft, Psychologie und Geschichte berieten, welche Konsequenzen die Corona-Krise haben wird und was man daraus lernen kann.
Eingangs begrüßte Professor Matthias Kind, Mitglied des Vorstands der Heidelberger Akademie, die Besucher der Veranstaltung, die nach strengen Hygiene-Regeln über die Bühne ging. Einen aktuellen Sachstand über den Covid-19-Erreger gab Professor Hans-Georg Kräusslich, Leiter der Virologie des Heidelberger Uni-Klinikums und wissenschaftlicher Berater der Landesregierung. "Die Behandlung für Schwersterkrankte wurde mittlerweile deutlich verbessert. Wir sind relativ gut durch die erste Phase gekommen. Aber die Zahl der Infizierten steigt, es bleibt die Sorge vor der zweiten Welle", so Kräusslich, der auch ein Plädoyer für das Tragen von Masken hielt. Zum händeringend gesuchten Impfstoff meinte Kräusslich: "Die Impfstoff-Forschung schreitet voran. Mitte nächsten Jahres könnte es aus meiner Sicht soweit sein. Aber voraussagen kann ich natürlich auch nichts."
Professor Ernst-Ludwig von Thadden, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Mannheim, beleuchtete die ökonomische Seite der Corona-Krise. "Ich bin nicht ganz so optimistisch. Wir befinden uns in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg und tun so, als könnten wir das wegstecken", so der Professor für Volkswirtschaftslehre, der hinzufügte: "Es ist ein Katastrophenjahr in wirtschaftlicher Hinsicht. Wir überbrücken mit Geld, das wir nicht haben. Bisher ist es ganz gut gegangen, aber wir haben die Folgen noch vor uns."
Professor Bernd Schneidmüller, Direktor der Forschungsstelle für Geschichte und kulturelles Erbe an der Universität Heidelberg, ordnete die aktuelle Krise in den historischen Kontext ein. Er habe sich intensiv mit der Pest und der Spanischen Grippe befasst. Niemals in der Historie habe es einen derartigen Lockdown in der Welt gegeben. Die global vernetzte Welt sei nicht mit dem 14. Jahrhundert zu vergleichen. "Früher gingen Pandemien mit kriegerischen Ereignissen einher. Verschwörungstheorien blühten. Man denke an die Judenpogrome. Wir erleben heute eine Erschütterung der Wissenschaft. Es ist die größte Herausforderung für die Nachkriegsgeneration." Schneidmüller sagte aber auch: "Jede Krise ist ein Motor für die Menschheitsgeschichte."
Den psychologischen Aspekt der Debatte übernahm Professorin Sabina Pauen von der Universität Heidelberg. Wer gut oder wer schlecht durch die Krise gekommen sei, hänge immer von der Perspektive ab. Sie wollte ihre Stimme insbesondere der nächsten Generation geben. "Wir müssen unseren Grips anstrengen, wie wir Kindern und Familien durch die Krise helfen und neue Konzepte entwickeln. Für junge Familien, die ihren Alltag nicht mehr strukturieren können, ist die Situation eine immense Herausforderung."
Den konkreten, durch die Covid-19-Krise verursachten Problemen für eine Großstadt widmete sich der Karlsruher Oberbürgermeister, Frank Mentrup. "Wie sieht es künftig für Messen, Kultur, Bäderwesen oder den ÖPNV aus? Gerade dort, wo es ohnehin schon finanzielle Defizite gibt, wird es noch schwieriger. Wo es schon Probleme gab, werden diese durch Corona beschleunigt." Außerdem, so Mentrup, könne er sich keine Zukunft vorstellen, "in der keine Räume geschaffen werden, in denen Menschen tanzen und singen". Moderator Markus Brock nahm Mentrups Aussage auf, dass bei Manchem "aus der Angst vor dem Virus eine Angst vor dem Leben entsteht".
Unter anderem über krude Verschwörungstheorien wurde diskutiert, aber auch über positive Effekte aus der Krise, wie den Schub für die Digitalisierung, flexibleres Arbeiten im Homeoffice oder die geringere Belastung des Klimas. Und was könne noch positiv aus der Krise hervorgehen? "Das bürgerschaftliche Engagement wächst. Ich würde mir beispielsweise Patenschaften von Lehramtsstudenten für Kinder wünschen, die beim Homeschooling zu Hause nicht so unterstützt werden", sagte Pauen. Wann ein Impfstoff die "neue Normalität" der Einschränkungen auflösen kann und ob man überhaupt zum Vor-Corona-Zustand zurück will, waren weitere Aspekte der Debatte.