Johanna Hohenstatt hat die Krippe in der evangelischen Kirche in Heddesheim erschaffen. Foto: Kreutzer
Von Hannelore Schäfer
Heddesheim. Innehalten, beten oder einfach nur den Gedanken nachhängen. Kirchen sind magische Orte, die der Seele Flügel verleihen. Auch wenn die Kirchengemeinden coronabedingt mehrheitlich auf Präsenz-Gottesdienst verzichten, die Gotteshäuser sind vielerorts geöffnet, und in den meisten von ihnen symbolisieren Krippen das Weihnachtsgeschehen. Das gilt auch für die evangelische Kirche in Heddesheim, in der ein umfangreiches Krippen-Ensemble buchstäblich auf tönernen Füßen steht.
Die handgetöpferte Szenerie wurde von Johanna Hohenstatt mit viel Liebe zum Detail in rund 200 Einzelteilen erschaffen. "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln." Von diesem 23. Psalm hatte sich die kreative Frau beim Modellieren ihrer Keramik-Krippe leiten lassen. Seit rund 20 Jahren versinnbildlicht das Ensemble aus gebranntem und glasiertem Ton die Weihnachtsgeschichte in der evangelischen Kirche Heddesheim.
Das ebenso originale wie originelle Krippen-Ensemble ist in rund einjähriger Arbeit entstanden. Nach dessen Fertigstellung machte es die Heddesheimerin der Kirchengemeinde zum Geschenk. "Als ich 1996 einen Weihnachtsgottesdienst in der damals noch nicht renovierten Kirche besuchte, fand ich das Gotteshaus ziemlich trist", erinnerte sich Hohenstatt. Eine Krippe war zu der Zeit noch nicht vorhanden, und so habe sie die Vorstellung gereizt, für die Kirche eigenhändig und auf eigene Kosten eine Keramik-Krippe anzufertigen. In einem Kurs hatte sie zuvor das Töpfern erlernt, und seither lässt sie das faszinierende Kunsthandwerk nicht mehr los. Mit ihrer Idee stieß sie bei den damaligen Pfarrern Dr. Konrad Fischer und Thomas Abraham auf offene Ohren und breite Zustimmung. Hohenstatts Vorstellungen nach sollte ihre Krippe auf möglichst authentische Art und Weise das Leben aus der Zeit um Christi Geburt widerspiegeln.
Bei der Umsetzung ihres Vorhabens seien in ihr immer wieder Kindheitserinnerungen wach geworden. Wie beispielsweise an den Schäfer, dem sie nach Kriegsende immer ein Vesper sowie Futter für den Hund brachte, solange seine Schafe auf dem Acker ihrer Familie weideten. "Wir haben damals von dem gelebt, was auf den Feldern gewachsen war, es war eine von Armut geprägte Zeit", erinnert sie sich. So wurde der vertraute Schäfer zum guten Hirten, der über der gesamten Krippen-Szenerie wacht. Zu der Zeit ihrer Entstehung hatte auch der Frauenchor, in dem sie damals mitsang, den Choral des 23. Psalms einstudiert. "Text und Musik haben mir immer neue Impulse verliehen, die ich auf die Figuren übertragen habe", erklärt Johanna Hohenstatt. Außerdem sei es ihr ein Anliegen gewesen, die Krippe mit allem für die damalige Zeit Lebensnotwendigen auszustatten, so dass es ihr wie in besagtem Psalm an "nichts mangelt". Gemäß dieser Vorstellung ist ein Mann mit Saatgut unterwegs und ein Töpfer bei der Arbeit. Sogar Hühner sitzen auf dem Gestänge des Stalls, in dessen Mittelpunkt die Heilige Familie nebst Ochs, Esel und Kuh ihren Platz hat.
"Ich habe mir gedacht, wenn sich jemand einen Pfannkuchen backen will, dann braucht es auch Eier", erzählt die Erschafferin der Krippe mit einem Schmunzeln. Überhaupt erinnert das Innere des Stalls an eine Puppenküche. Tassen hängen an Haken, Teller, Krug und Brot sowie ein Korb mit Eiern, alles ebenfalls aus handgefertigter Keramik, sind in der Vesperecke zu finden. In der "zweiten Etage" des Stalls beobachtet ein Hirte mit Hund die Szenerie, und ganz oben auf dem Dach posaunt ein weiterer Hirte die frohe Botschaft hinaus ins Land. "Er weidet mich auf grüner Au und führet mich zu frischem Wasser", heißt es in dem Psalm weiter. Und tatsächlich sprudelt (mittels Pumpe) ein Brunnen, und eine Herde von Schafen zieht es zur Tränke.
Auf Wunsch von Pfarrer Fischer bezog Hohenstatt auch Löwe und Schlange nach einer Prophezeiung von Jesaja (der Löwe wird Stroh fressen wie ein Rind) als friedliches Sinnbild mit ein. Zu der Menagerie zählen ebenso zwei Erdmännchen, die dem Jesuskind Christrosen überreichen. Johanna Hohenstatt, die auch gern kleine Geschichten schreibt und vor Corona in Seniorenheimen daraus vorlas, erzählt in einer von ihnen, wie eine Erdmännchen-Sippe die "Rose zur Weihnachtszeit", zum Leben erweckte. Ein paar Nummern größer sind da schon der Elefant und die Kamele, die mit den drei Königen anrücken. Die Sterndeuter betreten aber erst kurz vor Weihnachten die Szenerie. Gleiches gilt für Maria und Josef mit dem neugeborenen Jesuskind.
"Wir sorgen jetzt noch für den letzten Akt", bemerkt Johanna Hohenstatt, die zusammen mit Doris Niedermayr das Krippen-Ensemble aufbaut und fügt an: "Wenn dann der Stern von Bethlehem zu leuchten beginnt, dann ist Weihnachten."
Info: Die Kirche ist täglich von 9 bis 19 Uhr geöffnet. Die Krippe ist dort noch bis Ende Januar 2021 zu sehen.