Dem Nichteingreifen folgt oft ein Trauma
Der Verein "Kommunale Kriminalprävention Rhein-Neckar" lehrt Mut - Vor allem mentale Hürden vorm Helfen
Von Stefan Hagen
Heidelberg/Rhein-Neckar. Was ist denn da vorne los? Was will der Kerl von der Frau? Warum hilft denn niemand? Soll ich eingreifen? Aber was ist, wenn ich selbst in Gefahr gerate? Was soll ich bloß tun? Fragen, die einem im Ernstfall binnen Sekundenbruchteilen durch den Kopf schießen. Helfen oder wegschauen? Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen - und anschließend damit leben.
"Leute, die nicht helfen, sind hinterher oftmals richtiggehend traumatisiert", weiß Erster Kriminalhauptkommissar Günther Bubenitschek. "Hätte ich doch bloß", diesen Selbstvorwurf habe er von Betroffenen oft gehört. Er könne gut verstehen, was in diesen Menschen vorgehe, schließlich müsse man in einer brenzligen Situation vor dem Eingreifen vor allem mental einige Hürden überwinden.
"Viele Menschen wissen einfach nicht, wie sie reagieren sollen", sagt der frühere Geschäftsführer des Vereins "Kommunale Kriminalprävention Rhein-Neckar". "Aber Zivilcourage kann man lernen", betont der Kriminalbeamte. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Vereins in diesem Jahr möchte Bubenitschek nun zusammen mit Stefanie Ferdinand, Erziehungswissenschaftlerin und Theaterpädagogin, 25 RNZ-Leser im Rahmen eines exklusiven Zivilcouragetrainings am Dienstag, 17. April, 18.30 Uhr, in der Heidelberger Neugasse, "fit für den Ernstfall" machen.
In der rund dreistündigen Veranstaltung geht es unter anderem um die Fragen "Was kann ich tun, wenn ich eine brenzlige Situation beobachte?" "Wie kann ich helfen?" "Was wird von mir erwartet?" "Kann ich mich selbst strafbar machen, wenn ich nichts tue?" Die Antworten werden informativ und in Spielszenen vermittelt.
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Dabei gehen die beiden Experten natürlich auch auf die speziellen Bedürfnisse und Interessen der Teilnehmer ein. "Beispielsweise haben wir für die Fahrer der SWEG das Training in einem Bus gemacht. Also dort, wo sie ihr neues Wissen im Fall eines Falles anwenden werden", sagt der Polizeibeamte.
Auch zahlreiche Stadtverwaltungen haben sich die Erfahrung von Bubenitschek, Ferdinand und Co. bereits zunutze gemacht und ihre Mitarbeiter schulen lassen. "Im Ernstfall ist man total aufgeregt und oftmals ganz auf sich allein gestellt", versetzt sich Stefanie Ferdinand in die Rolle eines Betroffenen. Das Seminar biete ein Handlungsrepertoire, aus dem man in einem solchen Fall schöpfen könne. "Die Teilnehmer erlangen mehr Klarheit und Sicherheit im Verhalten als Beobachter, Helfer und Betroffener in Gewaltsituationen", ergänzt Bubenitschek. Beispielsweise auch durch ein spezielles Stimmtraining. Insgesamt mache das Seminar Mut und vermittle neue Impulse für lösungsorientiertes Handeln.
Auch Wissenschaftler haben sich des Themas angenommen: So sind laut der amerikanischen Sozialpsychologen Bibb Latané und John Darley fünf Hürden zu überwinden, bevor Menschen Zivilcourage zeigen. Zunächst, erläutert Bube-nitschek, müsse ein Augenzeuge das kritische Ereignis erst einmal bemerken. Anschließend müsse diese Person das registrierte Verhalten als Notfall bewerten. Drittens müsse sich der Beobachter verantwortlich fühlen, statt ein Aktivwerden von anderen zu fordern.
Nun komme es zum entscheidenden Moment, sagt der Präventionsexperte. Verfügt der Beobachter über das nötige Know-how, um einzuschreiten? Soll er das Opfer ansprechen und seine Hilfe anbieten - oder besser nur die Polizei rufen? Soll er den Täter vom Opfer trennen, sich womöglich zwischen die beiden drängen?
"Zivilcourage-Trainings setzen vor allem bei solchem Handlungswissen an, um den fünften Schritt zu Erleichtern: das Eingreifen", sagt der Polizeibeamte. Und dieses Wissen werde man am 17. April auch den RNZ-Lesern vermitteln. "Wir freuen uns sehr darauf", betonen Ferdinand und Bubenitschek.
Info: Wer am Zivilcouragetraining teilnehmen möchte (ab 16 Jahre), ruft an unter 0 13 78 22 / 70 23 65 oder schickt eine SMS an die Nummer 52020 mit RNZ METRO TICKET (auf Leerzeichen achten) mit dem Kennwort Zivilcourage sowie Name und Adresse. Die Leitungen sind bis einschließlich Mittwoch, 11. April, geschaltet. (Kosten pro Anruf 0,50 Euro aus dem dt. Festnetz. Anrufe aus dem dt. Mobilfunknetz ggf. stark abweichend. Kosten pro SMS aus dem dt. Mobilfunknetz 0,49 Euro. Die Namen der ausgelosten Teilnehmer können veröffentlicht werden).