In vielen Arztpraxen der Region sind Gesichtsschutz und Schutzkittel rar
Wenn medizinische Assistentinnen nur noch basteln - Ein Beispiel aus Schwetzingen - Mannheimer Uniklinik sieht sich gut aufgestellt

Von Alexander Albrecht und Olivia Kaiser
Schwetzingen/Mannheim. "Wenn wir miteinander gesprochen haben, steige ich wieder in die Produktion ein", kündigt Andrea Kress am Telefon im Gespräch mit der RNZ an. Dann bastelt die Medizinisch-Technische Assistentin (MTA) mit ihren Kolleginnen Schutzkittel aus Mülltüten. Oder sie nehmen Küchentücher, laminierte Folie und Kaffeefilter zur Hand, die gefaltet, getackert oder vernäht und verklebt zu Gesichtsschutzexemplaren für Patienten und Mitarbeiter verarbeitet werden.
Kress ist in einer radiologischen Praxis beschäftigt, die an die Schwetzinger GRN-Klinik angeschlossen ist. Das Team rege sich "maximal" auf – über die "große" Politik in Zeiten der Corona-Pandemie. Nicht nur, dass mittlerweile drei Assistentinnen nur für die Bastelarbeiten abgestellt sind, um, wie Kress erzählt, "etwas nachrüsten zu können und so sparsam wie nur möglich mit den vorhandenen Beständen umzugehen".
So werde ein einfacher Mund-Nasenschutz mit dem Mitarbeiternamen beschriftet und mehrere Tage in der Praxis getragen. Noch schwerer wiege, dass es nur wenige Atemmasken der Schutzklassen FFP 2 und FFP 3 gebe. Zwar würden FFP 2-Masken inzwischen wieder vermehrt angeboten, sagt der Radiologe Dr. Axel Werner von der Schwetzinger Praxis. Die "Wegwerfprodukte" seien aber mit Stückpreisen zwischen vier und acht Euro bei einer pauschalen Vergütung für die medizinische Betreuung eines Patienten von 9,67 Euro pro Quartal "absolut ruinös". Man habe trotzdem welche für die Mitarbeiter gekauft.
Patienten erhielten "eigentlich untaugliche" Behelfsmasken, um die gegenseitige Ansteckungsgefahr während der Untersuchungen soweit wie möglich zu reduzieren. Was Kress besonders ärgert: Da bereiteten sich die Kliniken auf mehr Corona-Patienten vor, erhöhten die Zahl der Intensivbetten, schulten das Personal. Und dann fehle es an der Schutzausrüstung. "Wie soll das Virus so auf- und die Infektionszahlen klein gehalten werden?", fragt sich die erfahrene MTA. Ihr Chef Axel Werner fürchtet gar, dass Ärzte und das medizinische Personal wie in Italien zu "Superverbreitern" der Infektion werden könnten.
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Schon wenige Tage nach Ausbruch der Pandemie seien in der Praxis, die auch Notfälle für die GRN-Klinik betreut, mehrere positiv getestete Patienten im CT und MRT untersucht worden. Aufgrund der Arbeitsbelastung sind Routineuntersuchungen auf den Juli verschoben worden. Bei schweren Fällen, wie zum Beispiel Krebserkrankungen, ist das natürlich nicht möglich.
Außerdem werden die Patienten nach dem MRT und CT grundsätzlich darum gebeten, nach Hause zu gehen. Sie erhalten ihre Befunde dann telefonisch. "Wenn wir uns an die Hygiene–Regeln des Robert-Koch-Instituts halten würden, müssten wir alle Corona–Patienten ablehnen und unser Personal aus Sicherheitsgründen nach Hause in Isolation schicken", räumt Axel Werner ein. "Es fehlt an allen Ecken und Enden."
Ähnlich äußert sich eine Hausarztpraxis aus dem Rhein-Neckar-Kreis. Man habe langsam aber sicher nur noch Restbestände "unzureichender Schutzkleidung", die nun auch zur Neige gehen würden. "Wenn einer in unserem Team krank wird, muss die gesamte Praxis im besten (!) Fall zwei Wochen schließen", heißt es in einer Nachricht an die RNZ. Zahlreiche Hausärzte in der Region fühlten sich ebenso im Stich gelassen. "Die Situation mit Schutzmaterialien ist nach wie vor schwierig", gesteht Swantje Middeldorff, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), gegenüber der RNZ.
Die vom Bundesgesundheitsministerium angekündigten Schutzmaterialien seien ja leider auf dem Weg "verloren" gegangen. Doch darauf habe sich die KVBW ohnehin nicht allein verlassen. "Bereits seit mehr als 14 Tagen sind wir mit Hochdruck damit beschäftigt, Schutzmaterialien aus den unterschiedlichsten Quellen zu besorgen. Parallel haben wir bei den Praxen den Bedarf abgefragt", berichtet Middeldorff. Noch am Donnerstag seien die ersten Päckchen verschickt worden. Vorrang hätten Haus-, HNO- und Augenärzte sowie Dialysepraxen. Sollten voraussichtlich in der nächsten Woche die Corona-Ambulanzen und Schwerpunktpraxen flächendeckend im Land eingerichtet sein, würden in erster Linie diese versorgt.
An Schutzkleidung fehlt es derzeit am Universitätsklinikum Mannheim nicht, wie Sprecher Dirk Schuhmann betont. Bereits im Februar habe man in Hinblick auf das Coronavirus eine größere Menge an wieder verwendbaren Schutzkitteln bestellt. "1000 davon haben wir noch gar nicht ausgepackt", sagt Schuhmann. FFP 2-Masken werden mehrfach genutzt. "Damit richten wir uns nach neuen Vorgaben des Robert-Koch-Instituts", erklärt der Kliniksprecher. Diese Vorgehensweise sei früher unüblich gewesen, aber spare Ressourcen.
Vor einigen Tagen ist in der Klinik die erste Lieferung des von der BASF hergestellten Desinfektionsmittels eingetroffen. Die 1500 Liter reichten normalerweise für etwa zwei Wochen, jetzt dürften sie in einer Woche aufgebraucht sein, schätzt Schuhmann. Aber weitere Lieferungen von der anderen Rheinseite seien bereits in Planung.
Was Intensivpflegeplätze und Beatmungsgeräte angeht, sei man gut aufgestellt, so Schuhmann. Eng werden könnte es allerdings beim Pflegepersonal. Deshalb hole man ehemalige Intensivpfleger, die mittlerweile auf anderen Stationen im Krankenhaus arbeiteten, wieder zurück, so der Sprecher.