AOK Rhein-Neckar-Odenwald

Ab Mitte 2021 eine hohe Durchimpfung erreichen

AOK-Geschäftsführer Joachim Bader über gestiegene Kosten und den Finanzausgleich der Krankenkassen in Zeiten der Pandemie

20.01.2021 UPDATE: 21.01.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 6 Sekunden
Joachim Bader ist froh über die Impfstoffzulassung, weniger allerdings über die Vereinbarungsmöglichkeiten von Impfterminen. Foto: dpa

Von Peter Wiest

Heidelberg. Seit dem 1. Januar 2019 ist Joachim Bader Geschäftsführer der AOK Rhein-Neckar-Odenwald, der mit über 445.000 Versicherten in Heidelberg, Mannheim, dem Rhein-Neckar-Kreis und dem Neckar-Odenwald-Kreis mitgliederstärksten gesetzlichen Krankenversicherung in der Region. Ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie beantwortet der 49-Jährige im RNZ-Interview Fragen zu deren Auswirkungen und Folgen für die Versicherten.

Herr Bader, die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr ein Milliardendefizit zu verzeichnen. Der Spitzenverband erwartet für 2022 ein Finanzloch von 17 Milliarden Euro. Steht das im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie oder gibt es auch andere Gründe?

Es gibt hier zwei entscheidende Faktoren. Die Bundesgesetzgebung der letzten beiden Jahre und die Mehrbelastungen durch die Corona-Pandemie. Besonders ärgerlich ist für uns, dass die Bundesgesetzgebung Finanzmittel in andere Bundesländer umleitet und so Bundesländer wie Baden-Württemberg bestraft, die in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht haben. Allein in diesem Jahr werden so rund eine Milliarde Euro mehr als bisher aus den Beiträgen der baden-württembergischen Arbeitgeber und Versicherten und aus den Rücklagen der Krankenkassen im Land in anderen Regionen der Republik verteilt. Unsere Region subventioniert damit diejenigen Teile Deutschlands, die ihre Strukturen nicht optimal gestaltet haben. Das ärgert mich als AOK-Geschäftsführer und als Beitragszahler.

Wie sind die gesetzlichen Kassen durch die Pandemie zusätzlich finanziell belastet worden?

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Joachim Bader. Foto: Schleining

Zu Beginn der Pandemie haben sich die Versicherten, wohl aus Verunsicherung, nochmals mit notwendigen Arzneimitteln eingedeckt. Firmen mussten zudem mangels Einnahmen ihre Beiträge stunden lassen, Beiträge konnten nicht bezahlt werden. Krankenhäuser haben zusätzliches Geld erhalten, um den Ausfall geplanter Operationen zu kompensieren, und wir haben uns finanziell an der Corona-Teststrategie beteiligt. Der Anspruch auf Kinderkrankengeld-Tage wurde gerade verdoppelt und vieles mehr. Wir übernehmen als Krankenversicherung auch viele gesamtgesellschaftliche Aufgaben des Bevölkerungsschutzes, finanziell und mittels unserer Infrastruktur. Wir machen das alles gerne und helfen mit, das Virus zu besiegen. Aber das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Wichtig ist deshalb, dass die Finanzierung über Steuermittel des Bundes auch bei den Krankenkassen landet, die die Kosten tatsächlich getragen haben.

Wie beurteilen Sie die Art und Weise, wie die Politik mit der Pandemie und deren Folgen umgeht?

Im internationalen Vergleich haben wir in Deutschland die Pandemie bisher sicherlich überdurchschnittlich gut gemeistert. Das liegt vor allem an den engagierten Fachkräften in den Gesundheitsberufen und daran, dass wir ein leistungsfähiges Gesundheitssystem haben. Ich beneide die politischen Entscheidungsträger derzeit wirklich nicht. Ich habe noch Vertrauen in die Politik, wenn ich mich auch manchmal ärgere.

Hat die Corona-Pandemie Ihrer Kasse mehr Arbeit gebracht?

Unsere Arbeitsweisen haben sich verändert, wir haben immer wieder flexibel und kurzfristig auf die Herausforderungen reagiert. Die Kolleginnen und Kollegen waren bereit, andere Aufgaben zu übernehmen, etwa in der Beratung und Bearbeitung der pandemiebedingten Beitragsstundungen für unsere Firmenkunden und Selbstständigen. Aktuell haben wir über 2600 monatliche Anträge auf Beitragsstundung in unserer Region.

Haben Sie Ihre Geschäftsstellen nach wie vor geöffnet?

Der Gesundheitsschutz unserer Versicherten und Mitarbeiter hat für uns oberste Priorität. Deshalb sind unsere 21 Kunden-Center in der Region seit November wieder geschlossen. Es gibt aber die Möglichkeit für unsere Versicherten, in dringenden Fällen individuelle persönliche Beratungstermine zu vereinbaren. In der Hauptsache findet unsere Kundenbetreuung telefonisch und digital über unsere Online-Kanäle statt.

Gibt es auch Bereiche, in denen die AOK Kosten einsparen konnte, wie etwa dadurch, dass nicht zwingend notwendige Operationen und Krankenhausaufenthalte aufgeschoben wurden?

Im ersten Halbjahr 2020 waren unsere Ausgaben durch weniger Arztbesuche und verschobene Operationen deutlich geringer als erwartet. Allerdings hat sich das im zweiten Halbjahr ins Gegenteil umgekehrt. Insgesamt sind die Kosten im Vergleich zum Jahr 2019 deutlich gestiegen, nicht nur durch Corona, sondern auch durch die neuen Gesetze und damit verbundenen Aufgaben. Verschobene Operationen und ausgefallene Vorsorgetermine machen uns große Sorgen.

Immer wieder wird Kritik laut am Mangel an Impfstoff und der schleppend vorangehenden Impfung. Teilen Sie diese Kritik?

Auf die Beschaffung des Impfstoffs auf europäischer Ebene haben wir keinen Einfluss. Ich bin froh, dass innerhalb eines Jahres sichere und wirksame Impfstoffe entwickelt wurden und noch weitere Impfstoffe kurz vor der Zulassung stehen. Uns ist wichtig, dass der vorhandene Impfstoff zügig verimpft wird. Wir bekommen viele Hilferufe von älteren Versicherten, die telefonisch bei der Hotline nicht durchkommen und keine Möglichkeiten haben, sich digital anzumelden. Die Betroffenen fühlen sich allein gelassen. Hier habe ich die Erwartung, dass der Terminvereinbarungsprozess für die Bürgerinnen und Bürger zeitnah verbessert wird.

Wenn Sie über die Wintermonate hinaus auf 2021 blicken: Wie lautet Ihre Prognose für die weitere Entwicklung?

Ich bin ein optimistischer Mensch. Zuversicht ist ein besserer Ratgeber als Pessimismus. Von daher bin ich hoffnungsvoll, dass wir ab Mitte 2021 eine so hohe Durchimpfung der Bevölkerung erreichen, dass mehr soziale Kontakte möglich sind. Was die Kosten angeht, rechnen wir mit einer weiteren Ausgabensteigerung für das Jahr 2021. Ich hoffe, dass der Bundesgesundheitsminister bei seinen Vorhaben die Kosten mehr im Blick behält als in der Vergangenheit. Alle zusätzlichen Ausgaben gehen zulasten der Versichertengemeinschaft und der Arbeitgeber. Ich wünsche mir, dass das zukünftig wieder mehr Berücksichtigung findet.

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