Das langsame Verschwinden
Von Stephen Wolf
Biblis. In der nuklearen Euphorie vor 50 Jahren entstanden etliche Atomkraftwerke. Nach dem Schock von Fukushima sollen sie in Deutschland wieder verschwinden. Auch im Kernkraftwerk Biblis, dem einzigen in Hessen, läuft der Rückbau. Viel Beton muss noch weichen.
Schon seit 2004 läuft der Abriss des rheinland-pfälzischen Meilers Mülheim-Kärlich und er wird sich laut Planung noch fast zehn Jahre hinziehen. Ziel ist die grüne Wiese. "Die Erfahrungen hier beim Rückbau nutzen wir auch in Biblis", sagt Dagmar Butz, Sprecherin des Essener Energiegiganten RWE. In Biblis geht der Abriss des Atomkraftwerks (AKW) im Inneren voran. Dagegen stehen die vier entkernten Kühltürme noch in voller Höhe. Wann sie verschwinden, ist laut des örtlichen RWE-Sprechers, Alexander Scholl, noch unklar.
Im Jahr 2011 führte die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima in zum Plan des deutschen Atomausstiegs. Auch das AKW Biblis, das einst immer wieder wegen Pannen in die Schlagzeilen geraten war, geht damit vorzeitig vom Netz. Hier steht der Abbau von vier Dampferzeugern in Block A laut RWE-Sprecher Scholl kurz bevor. Danach seien vier weitere der etwa 350 Tonnen schweren und 20 Meter hohen Komponenten in Block B an der Reihe. Die radioaktiv kontaminierten Dampferzeuger werden vor Ort teilweise zerlegt. Die Biblis-Blöcke A und B stammen aus den Jahren 1974 und 1976.
Der Stadt Mülheim-Kärlich und über Umlagen auch der Region hatte die RWE einst über die millionenschwere Gewerbesteuer einen Geldsegen beschert. Auch die Gemeinde Biblis hat sich über Millionen gefreut. Der Rückbau des einzigen hessischen Kernkraftwerks mit der Adresse "Außerhalb 7, 68647 Biblis" wird laut RWE-Sprecher Scholl etwa 15 bis 20 Jahre dauern. Ein langsames Verschwinden. Begonnen haben die Arbeiten hier im Juni 2017. Sicherheits- und Strahlenschutzstandards gelten weiter. In Block A gibt es seit Ende 2016 keine Brennelemente und Brennstäbe mehr. Die letzten vorhandenen Brennstäbe im Reaktorblock B sollen bis Ende Mai entfernt sein. In Mülheim-Kärlich sind sie schon lange weg.
Anfang des Jahres hat die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH das südhessische Zwischenlager Biblis für hoch radioaktive Abfälle von RWE übernommen. Damit wird das im Juni 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung der Entsorgung radioaktiver Abfälle aus Atomkraftwerken umgesetzt: Die Betreiber der Kraftwerke sind für die Stilllegung und den Rückbau zuständig, der Bund ist für die Zwischen- und Endlagerung verantwortlich. Die BGZ ist eigens dafür gegründet worden.