Von Tim Kegel
Sinsheim/Rhein-Neckar. Frage- oder doch Ausrufezeichen? Während Sinsheims Stadtoberhaupt Jörg Albrecht bis zuletzt von etlichen Unklarheiten sprach, die dem Bau von Europas größtem Haifisch-Aquarium in Sinsheim entgegen stünden, sind Tierschützer in Aufruhr. All dem begegneten die Planer der Einrichtung an Dienstag mit neuen Details zu Bauwerk und Konzept.
Zur Erinnerung: Im Gewerbegebiet Neulandstraße, direkt an der A 6, soll - unweit der größten jemals gebauten Saunalandschaft und dem bald publikumsstärksten Freizeitbad der Welt - noch im Jahr 2017 "Shark City", die "Haifisch-Stadt", gebaut werden.
Deren Macher - zwei Aquarienprofis und -händler aus der Pfalz unterstützt von einer Münchener Kommunikationsagentur - wollen in ihrem "Hai-Light" Tierfaszination und neu-erdings "Sternerestaurant", "Kid’s Club" und Erwachsenenevents, aber auch Bewusstseinsbildung für den Hai-Schutz, Hai-Tauchen und Filmdokumentation unter einen Hut bringen.
Sogar von der Produktion einer Musik-CD und einer Zeitschrift ist die Rede. Als zoologischen Fachmann hat die "Seven Seas GmbH" mit Dr. Erich Ritter eine Kapazität der Haiforschung an Bord geholt. Zwar ist der Schweizer Verhaltensbiologe durchaus ein Paradiesvogel seiner Zunft, der für den Schutz der Knorpelfische unter anderem auf "Hai-Mensch-Begegnungen" setzt und mit seiner "Shark School" auf den Bahamas einen populärwissenschaftlichen Ansatz verfolgt.
Andererseits äußert sich Ritter in einem Interview auf der Projekthomepage differenziert zur Haihaltung in Großaquarien: Ein Aquarium ersetze nie den Ozean - es gebe allerdings Erfahrungswerte anderer Einrichtungen, welche Haifischarten sich für welche Haltungsform eigneten. Nach diesen richte man sich, so Ritter.
Unterdessen laufen Tierschützer Sturm: Eine ganzseitige Zeitungsanzeige in der RNZ einer Organisation in Hessen, die sich "Sharkproject" nennt, zeigte das blutverklebte Ortsschild Sinsheims, das in einem Berg aus Haikadavern steckt. Darüber steht: "Wollen Sie, dass Ihre Stadt so bekannt wird?"
Auf einer Website wird "Shark City" als "Schwarzes Loch für Haie" dargestellt. Die hohe Sterblichkeitsrate solcher Haltungen mache Haiaquarien zu "Durchlauferhitzern" der weltweiten Bedrohung der Haibestände.
Ein Link führt zu einer Petition an Stadtobere und Gemeinderat. Sinsheim solle sich zur "wildtierfreien Zone" erklären. Das würde nach RNZ-Informationen aber höchstens auf städtischen Grundstücken funktionieren. Das Vorhaben soll aber auf Privatgrund stehen. Naturschutzgruppen und die Sinsheimer Grünen hatten vor Kurzem Hai-Aktivisten der gleichen Organisation zu Gast. Pikant: Während "Sharkproject" scharf gegen Sinsheim schießt, kooperiert die Organisation mit dem Meereszentrum Fehmarn - einem Aquarium, in dem Haie gezeigt werden. Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht findet die Blut-Anzeige jedenfalls "geschmacklos und unfair." Man könne "geteilter Meinung über Großaquarien sein", müsse sich aber "mit offenem Visier begegnen."
"Mehr Fragezeichen denn je", sah Jörg Albrecht noch im November über dem Elf-Millionen-Euro-Projekt. Zwar liege der Bauantrag inzwischen vollständig vor, trotzdem wäre noch einiges zu regeln. Etwa die Ableitung von Oberflächenwasser des Baus ins nah gelegene Bächlein "Ilvesbach"; Insidern zufolge gehe es auch um große Mengen Salzwasser, die nicht so ohne weiteres in eine Kläranlage abgeführt werden können. Das größte von etlichen Becken in der "Shark City" fasst 10,5 Millionen Liter, kann auf 38 Metern Länge und über zwei Stockwerke in einer Tiefe von 24 Metern durchtaucht werden - laut Betreiber-Homepage von den größten Haien, die es in einem europäischen Aquarium derzeit gibt. Aber auch von interessierten Menschen, nach längerer Einweisung.
Der reißerischen Kampagne von Sharkpoject begegneten die Aquarienplaner gestern mit einer Kommunikationsoffensive: "Soweit vorab, die Finanzierung ist gesichert" schreibt Unternehmenssprecher Boris Udina in einer zweiseitigen Erklärung. Das gesamte Konzept sei weniger auf Show ausgerichtet: "Keine Delfinshows, kein Synchronschwimmen mit Haien", "kein in die Flosse zwicken" und kein Akkordbetrieb: Ein Tauchkurs sei "eine besondere Ausnahme", dem der Besuch einer Schulung vorausgehe. Der Schutz der Tiere werde "großgeschrieben", der gewerbliche Handel mit Haien ausgeschlossen. Es würden keine Hochseehaie wie zum Beispiel der Weiße Hai, Weißspitzen-Hochseehai, Blauhai und Walhai sowie Tigerhaie zu sehen sein. Gezeigt würden hauptsächlich Tiere, die sich in Ufernähe aufhalten und größtenteils in Aquarien bereits nachgezüchtet werden würden. "Shark City" verpflichte sich, an solchen Programmen teilzunehmen. Der wesentliche Teil des Besatzes werde aus Zuchterfolgen anderer zoologischer Einrichtungen gestellt.
Zur Motivation der "Shark City"-Macher sagte der Münchener am Dienstag zur RNZ: "Das ist kein anonymer Hedgefonds, der mal was mit Haien macht." Bei den Klienten seiner Beratungsagentur handle es sich "um Menschen mit viel Erfahrung, die Haie und Meerestiere hundertprozentig lieben".