Rund 10 000 Besucher kamen am Samstag zum Toxicator-Festival in die Maimarkthalle. Die Polizei führte konsequent Drogenkontrollen durch. Foto: vaf
Von Sebastian Blum
Mannheim. Janine, 39, hat sich grüne Geburtstagskerzen auf den Kopf frisiert. Um ihren Unterarm trägt sie einen Waschlappen aus Festivalbändchen, ihre Augen glitzern silbern, weil sie farbige Kontaktlinsen trägt. Echte Pupillen verraten meistens, ob gerade eine Substanz durch die Adern pulsiert. Janine stolziert durch das verrauchte Foyer der Maimarkthalle, als würde sie durch ihr Wohnzimmer laufen. Es ist nicht ihr erstes Mal "Toxicator”.
"Wir sind eine große Familie” und "Man fühlt sich wie zuhause” sind Sätze, die sehr oft fallen, vor allem von Leuten mit echten, normalen Pupillen. Jahr um Jahr flitzen, tanzen, torkeln rund 10.000 Leute für eine Nacht über das Maimarktgelände. Und das bei einem Bass, der die Gedärme vibrieren lässt.
Janine ist flippig, doch eigentlich fällt sie nicht auf: Äußere Erscheinung wird in der "Familie” groß geschrieben. Piercings, Tattoos, ausgefallenes Make-Up, bunte Maskierungen. Es sind zumeist Leute, die unter der Woche ein "normales” Leben führen. Maschinenbau-Lehrlinge, Wirtschaftsstudenten, Rechtsanwaltsfachangestellte aus Marburg, Kaiserslautern, Mannheim. Leute, die sich einen Spaß aus dem Leben machen, die auf Facebook angeben, dass sie an der Realschule studiert haben.
Auch Minderjährige sind anwesend. Einige von ihnen haben es nicht bis ins Foyer geschafft, wie Haupteinsatzleiter Knapp nach zweieinhalb Stunden bilanziert: "25 Leute haben wir herausgezogen, die verbotene Substanzen dabei hatten. Metamphetamine, Kokain, Ecstasy, Marihuana. Darunter waren leider auch Minderjährige.” Deswegen läuft das Jugendamt durch die wummernden Konzerthallen. Elke Rapp und Jürgen Held greifen aber nicht ein. "Wir machen uns ein Bild und schauen, welche Schutzmaßnahmen wir vielleicht nächstes Jahr einbringen können”, sagt Rapp.
Die Polizei hat personell aufgestockt. 88 Beamte sind im Einsatz, auch in zivil. Gegen 23.30 Uhr zählen die Rettungsdienste 14 Fälle, der 15. wird gerade auf einer Trage hereingerollt. Für Rettungseinsatzleiter Matthias Geist ist es die fünfte Veranstaltung in dieser Position. Er wirkt entspannt. "Wir haben 50 Rettungskräfte vor Ort, die auch durch die Hallen laufen. In den meisten Fällen brauchen die Leute eine Infusion, Wasser und Ruhe. Bisher keine Minderjährigen.”
Thorsten Jeck ist froh über verstärkte Polizeikontrollen, weil er etwas tut, das viel mehr Leute verwundert als zum Beispiel Janine: Thorsten betreibt einen etwa drei Meter langen Drogenberatungsstand direkt vor der Hardcore-Halle. Dort liegen Flyer aus zu verschiedenen Substanzen, zu den Gefahren von Mischkonsum, zur korrekten Handhabung, sofern man denn etwas eingeschmissen hat.
Viele Leute schauen interessiert, kommen ins Gespräch. Die Stimme wird heiser, wenn man mit Thorsten spricht. "Wir sind auf allen möglichen Festivals, MayDay, Toxicator, Exodus, und klären auf”, sagt der studierte Neurobiologe. Thorsten ist Vereinsleiter der "eve&rave Münster”, einer Organisation, die durch Deutschlands Festivallandschaft tourt und Drogenprävention mit Technokultur verbindet. Technofeste gelten als Drogenhöllen. Aber lässt sich das so einfach verallgemeinern? "Wir erreichen jedes Jahr etwa 250.000 Menschen. Den Erfolg kann man natürlich nicht messen, aber beim Toxicator haben wir das Gefühl, dass Leute sehr interessiert sind. Das war vor zwei Jahren deutlich krasser.”
Eine statistische Bilanz im Vergleich zu den Vorjahren kann erst in den nächsten Tagen gezogen werden, sagte Polizeisprecher Michael Klump am Sonntag der RNZ. Im Laufe des Abends wurden 107 Drogendelikte erfasst. Zweimal wurde Widerstand gegen Beamte geleistet.
"Man kann eben nicht alles verhindern”, sagt Thorsten, aber ob jetzt Wacken oder Toxicator - einen großen Unterschied beim Drogenkonsum gäbe es aus seiner Perspektive nicht.