Naidoo sprach am Tag der Deutschen Einheit 2014 in Berlin bei einer Demo von Reichsbürgern. Foto: Ellguth
Von Ute Wessels und Alexander Albrecht
Regensburg/Mannheim. Popsänger Xavier Naidoo (46) hat sich erfolgreich gegen Antisemitismus-Vorwürfe gewehrt. Das Landgericht Regensburg untersagte es einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung, den Sänger als Antisemiten zu bezeichnen. Sie habe diesen Vorwurf nicht ausreichend belegen können, sagte Richterin Barbara Pöschl am Dienstag bei der Urteilsverlesung. Die Referentin hatte im vergangenen Jahr in Straubing vor Publikum gesagt: "Er ist Antisemit, das ist strukturell nachweisbar." Berichte, wonach die Frau aus Heidelberg stamme, bestätigte die Stiftung nicht.
Die Organisation setzt sich gegen Rechtsextremismus ein. Weder Naidoo noch die Referentin waren bei der Urteilsverkündung anwesend. Der Sänger der Söhne Mannheims hatte sich in der Verhandlung vor drei Wochen auf die Kunstfreiheit berufen und betont, dass er sich gegen Rassismus einsetze. Den Vorwurf antisemitischer Ressentiments wies er im Gerichtssaal zurück. Sein Sohn trage zudem einen hebräischen Namen. Die Beklagte hatte dargelegt, dass Naidoo in seinen Liedtexten auch antisemitische Codes und Chiffren verwende. Diese seien ihm nicht bekannt, hielt der Musiker dagegen.
Der Vorwurf, ein Antisemit zu sein, greife in Naidoos Persönlichkeitsrecht ein, zudem sei bei dem Sänger der Schutz der Kunstfreiheit zu berücksichtigen, erläuterte die Richterin. Die Beklagte könne sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen, jedoch wiege hier das Recht auf Schutz der Persönlichkeit schwerer. Der Satz "Er ist Antisemit" sage, dass Naidoo in ganzer Person ein Antisemit sei - über die zitierten Liedtexte hinaus. Das habe die Beklagte nicht ausreichend belegen können. Der Sänger dagegen habe sich glaubhaft von der Verwendung antisemitischer Ressentiments und Codewörter in seinen Texten distanziert.
Die Richterin betonte, dass das Gericht nicht beurteilt habe, ob die Texte von Naidoo antisemitisch sind oder nicht. "Man kann ihn nicht festlegen." Aber: Er habe die Texte anders verstanden haben wollen und seine Distanzierung sei glaubwürdig gewesen. Antisemit zu sein, sei in Deutschland ein "sehr grober Vorwurf", die Beklagte habe diesen zu unterlassen.
Naidoos Anwalt Frank Wolf kommentierte, das Urteil komme nicht unerwartet, weil die herabwürdigende Bezeichnung jeder Grundlage entbehre. "Die aus der Luft gegriffene Bezeichnung stellt nicht nur eine absolut unzutreffende Tatsachenbehauptung dar, sie ist in ihrer Abwegigkeit auch von der durchaus weit zu verstehenden Meinungsfreiheit nicht mehr erfasst."
Die Referentin will nach Angaben der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin gegen das Urteil in Berufung gehen. "Die Entscheidung des Gerichts ist enttäuschend und greift in die Meinungsfreiheit ein. Das Urteil ist ein fatales Signal für die politische Bildung", sagte sie. Die Stiftung hält die jetzt vom Landgericht Regensburg verbotene Äußerung für von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Naidoo gilt wegen politischer Äußerungen als umstritten. Am Tag der Deutschen Einheit 2014 sprach er in Berlin bei einer Demonstration der sogenannten Reichsbürger, die die staatliche Ordnung in Deutschland ablehnen. Naidoo betonte später, dass er mit den "Reichsbürgern" nichts zu tun habe. Im letzten Jahr geriet er wegen des Songs "Marionetten" auch in seiner Heimatstadt in die Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, in dem Lied mit abfälligen Bemerkungen über Politiker rechtspopulistische Töne anzuschlagen.
Es fand sogar ein Krisentreffen der Söhne Mannheims mit Oberbürgermeister Peter Kurz statt. Dieser hatte von der Band Aufklärung über "antistaatliche Aussagen" in "Marionetten" gefordert. Beide Seiten diskutierten mehr als drei Stunden über den Song. Naidoo hatte später in einer Erklärung mitgeteilt, dass das Lied zugespitzt und vielleicht missverständlich sei. Kurz sagte nach dem Treffen, das rechtsextreme Spektrum feiere das Lied - doch habe die Gruppe in dem Gespräch glaubhaft gemacht, "dass sie auf dem Boden von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht".