Abends im Szeneviertel Jungbusch: Emiliano Trujillo (l.) und Nachtbürgermeister Robert Gaa sehen Künstler Manuel Hernandez Bastante bei der Arbeit zu. Foto: vaf
Von Manfred Ofer
Mannheim. Die Liste der Attribute, die mit dem Jungbusch in Verbindung gebracht werden, ist lang. Und genau das verleiht dem Stadtteil westlich der Quadrate eine so spannende Gemengelage, mit der sich die Akteure der Mannheimer "Nachtschicht" befassen. Das Projekt mit dem sozialpädagogischen Anspruch wurde vor knapp vier Wochen mit der Intention gestartet, unterschiedliche Gruppen im Dialog zusammenzubringen und das Beste für alle Beteiligten zu erreichen.
Es ist schon weit nach Mitternacht, als die vier jungen Männer auf dem Quartiersplatz so richtig Gas geben – beim Sackhüpfen. Es ist ein spontaner Spaß, den sich Emiliano Trujillo ausgedacht hat. Dazu gehört auch ein Bild, das der Straßenkünstler Manuel Hernandez Bastante auf den Bordstein in der Beilstraße gemalt hat. Leute bleiben davor stehen, stellen Fragen und so fängt das Ganze an. Trujillo hat eine gewinnende Art, wenn es darum geht, Menschen anzusprechen. Das muss er auch können, denn er gehört zu dem Team, das vor Ort regelmäßig auf Deeskalation setzt.
Die "Nachtschicht" ist eine Kooperation zwischen dem Gemeinschaftszentrum Jungbusch und dem Mannheimer Nachtbürgermeister Robert Gaa (30). Das Team ist unterwegs, wenn die Party Fahrt aufnimmt, was meist zu später Stunde geschieht. Ab 22 Uhr gehen sie durch die Straßen und suchen das Gespräch mit den Akteuren. Das sind in erster Linie Nachtschwärmer und Kneipiers. Ab 23 Uhr muss zum Beispiel die Bestuhlung im Außenbereich enden. Auch darauf weist das Team bei seinen Rundgängen höflich hin. "Es geht uns darum, neue Ideen für ein gutes Zusammenleben aller im Viertel zu entwickeln", sagt Nachtbürgermeister Robert Gaa: "Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass der Jungbusch nicht nur eine Partymeile, sondern eben auch ein Wohngebiet ist, in dem Menschen ihre Ruhe haben möchten." Die Mitarbeiter der "Nachtschicht" streben dafür immer einen Dialog auf Augenhöhe an. Alles steht und fällt mit einem respektvollen Umgangston und dem guten Willen zur Vernunft.
"Wir sind ja nicht weisungsbefugt in einem ordnungsrechtlichen Sinn", betont Gaa. "Wir geben nur Hinweise und Ratschläge". Zum Beispiel, wenn die Party mal zu laut wird. Dann versucht das Team, die Nachtschwärmer davon zu überzeugen, an einer anderen Stelle weiterzufeiern, die nicht so nah am Wohngebiet ist. "Im Mittelpunkt steht der soziale Zusammenhalt", macht Quartiersmanager Michael Scheuermann deutlich. "Seitdem der Jungbusch zu einem Party-Hotspot geworden ist, sind neue Herausforderungen auf uns zugekommen." Es stelle sich die Frage, wie es in Zukunft möglich sein könne, die Interessen der Ausgehkultur mit denen der Anwohner unter einen Hut zu bringen. Die Nachtschwärmer seien natürlich willkommen, doch die Party müsse im Rahmen bleiben.
"Wir möchten die Party ja nicht verbieten, sondern für alle schöner machen", stellt Emiliano Trujillo fest. Und das funktioniert, was man zum Beispiel bei dem von ihm initiierten Sackhüpf-Wettbewerb beobachten kann. Die jungen Männer, die sich daran beteiligt haben, stehen nun bei seiner Kollegin Laura Kruse (25), die ihre Zuhörer über die Arbeit der "Nachtschicht" aufklärt. Die Studentin gehört seit zwei Wochen zum Team. Mit dem Gespräch ist sie zufrieden: "Wir merken, dass wir mit unserer Herangehensweise viel bewegen können, weil wir den Menschen das Gefühl geben, dass wir sie beteiligen wollen, ohne sie zu belehren."
Ihr Kollege Kristijan Nuculovic (33) ist im Stadtteil aufgewachsen. Er kennt die Szene und viele der Menschen, denen sie in dieser Nacht begegnen, kennen ihn. "Das schafft Vertrauen, was uns hilft, wenn es auch mal zu kniffligen Momenten kommt", sagt er. So einen Moment hat Michael Geiße (41) heute bereits hinter sich. Er hatte einen Kneipier daran erinnert, dass um 23 Uhr die Bestuhlung auf der Terrasse enden müsse. "Manchmal fühlt sich einer benachteiligt, und dann verweist er darauf, dass die Konkurrenz doch auch noch Stühle draußen stehen habe, oder das wir bei ihm zu früh dran sind", sagt Geiße, der auch schon als Türsteher und DJ in Mannheim tätig war. Emiliano verliert in der Zwischenzeit zum ersten Mal ein wenig die Contenance. "Kannst du mir bitte mal erklären, warum du hier an die Wand pinkelst?", will er von einem Nachtschwärmer wissen, der das Dixi-Klo, an das er sich bei seinem Geschäft anlehnt, ignoriert. Vergebens. Der Wildpinkler bleibt die Antwort schuldig und schwankt in Richtung der Party auf dem Quartiersplatz davon.
Dort kommt das Team mit Daniel (22) ins Gespräch. "Ich finde das gut, was die hier machen", sagt der junge Mann aus der Gartenstadt. Er habe das Sackhüpfen beobachtet und neugierig nachgefragt. "Ich wusste gar nicht, dass es hier am Kanal neben den Büros auch Wohnungen gibt", sagt er und verspricht, dass er das nicht mehr vergessen werde. So etwas hören sie bei der "Nachtschicht" natürlich gerne.