Noch vor Ende des Jahres sollen auf dem Turley-Areal in der Neckarstadt-Ost wieder die Bagger rollen. Foto: Gerold
Von Olivia Kaiser
Mannheim. Bis jetzt haben sie zu den Spekulationen rund um ihren Grundstückskauf auf der Mannheimer Konversionsfläche Turley geschwiegen, jetzt wenden sich die neuen Investoren an die Öffentlichkeit – und verkünden gute Nachrichten. Noch in diesem Jahr soll mit dem Bau von 300 Mietwohnungen begonnen werden. Demnach werden die Baufelder 4 und 5, welche die Tom-Bock-Gruppe mehrheitlich an die vier Gründer des Sportwettenanbieters Tipico verkauft hat, nicht mehr lang brach liegen.
Nach außen vertreten werden Dieter Pawlik, Oliver Voigt, Wolfgang Kuentzle und Mladen Pavlovic von dem Hamburger Immobilienunternehmen Fortoon Development GmbH, das auch für die Projektentwicklung auf dem Turley-Areal zuständig ist. Geschäftsführer Peter Zillmann erklärte gestern: "Noch im vierten Quartal 2019 wollen wir mit dem Bau beginnen. Wir freuen uns auf die Aufgabe, ein lebendiges und modernes Quartier für Mannheim und insbesondere für die künftigen Bewohner zu schaffen. Bei unserem Projekt ist uns der enge Austausch mit Behörden und Politik besonders wichtig, da wir das Quartier zu einem starken Stück Mannheim machen wollen."
Ursprünglich sei der Bau von hochwertigen Luxus-Eigentumswohnungen und Stadthäusern mit Wohnflächen von bis zu 279 Quadratmetern vorgesehen gewesen. Von diesem Vorhaben habe man sich jedoch nach einer Marktanalyse verabschiedet. "Die Mehrheit sind Zwei- bis Drei-Zimmerwohnungen, ideal für Studenten, ältere Menschen, Alleinerziehende und junge Familien. Unser Ziel ist es, dass so ein lebenswertes Stadtviertel für Mannheim entsteht", so Zillmann.
Die Tom-Bock-Gruppe ist an dem Projekt noch mit 15 Prozent beteiligt. Die Gesamtfläche der beiden Baufelder beträgt 22.133 Quadratmeter. Der Kaufpreis liegt nach RNZ-Informationen bei jenen 36 Millionen Euro, die auch schon in den vergangenen Tagen kolportiert worden waren. Dazu wollte sich das Unternehmen allerdings nicht äußern. Fortoon plant rund 230 Mietwohnungen auf Baufeld 4 und 71 auf dem Baufeld 5 im Mischgebiet. Aktuell prüft das Unternehmen die Möglichkeit, zusätzliche Sozialwohnungen durch eine Anpassung des Bebauungsplans zu schaffen. Bei einer solchen Anpassung käme auch die Sozialquote von 30 Prozent der Stadt Mannheim für die zusätzlich geschaffenen Wohnungen zum Tragen. "Zu unserem Gesamtvorhaben streben wir einen engen Austausch mit der zuständigen Baubehörde sowie mit der lokalen Politik an", betonte Zillmann.
Das ist auch im Sinn von Stadtrat Reinhold Götz, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion. "Wir setzen uns dafür ein, dass die 30-Prozent-Quote für bezahlbares Wohnen nun auch auf dem bisher nicht bebauten Areal auf Turley angewendet wird. Das wäre ein wichtiges Signal der neuen Eigentümer an die Mannheimer Bevölkerung, dass sie das Gebiet nicht für Spekulationszwecke nutzen wollen, sondern auf die angespannte Wohnungssituation in Mannheim Rücksicht nehmen wollen", sagte er. "Die bisher sehr erfolgreiche Entwicklung von Turley, Taylor und Franklin gilt es fortzusetzen. Es wäre ein wichtiges Signal, wenn die neuen Eigentümer die geänderten Verhältnisse auch auf Turley berücksichtigen."
Neuneinhalb Seiten umfasst das Schriftstück, das Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) am Dienstagabend vor dem eigentlichen Beginn der gestrigen Gemeinderatssitzung verlesen hat. Ausführlich nahm er Stellung zu dem Grundstücksverkauf auf der Konversionsfläche Turley und den daraus resultierenden Vorwürfen, die nach Bekanntwerden des Deals auf die Verwaltung – insbesondere auf die städtische Entwicklungsgesellschaft MWSP – eingeprasselt waren.
Mauschelei und Geheimniskrämerei seien ihm als Aufsichtsratsvorsitzenden und Geschäftsführer Achim Judt als Geschäftsführer der MWSP vorgeworfen worden, so Kurz. Dagegen verwahrte er sich entschieden. "In solchen Situationen hat man gute Lust, Protokolle zu veröffentlichen", erklärte er mit Blick auf die von vielen Stadträten geforderte Akteneinsicht. Doch gerade dies sei zum Schutz von Dritten und den Interessen der Stadt nicht möglich, auch wenn es ihm, Kurz, zupass käme, weil die Vorwürfe entkräftet würden.
Man dürfe bei der Beurteilung des Grundstücksverkaufs auf Turley nicht die Situation von 2012 vergessen, erinnerte der OB. Der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) war es nicht gelungen, das ehemalige Armeegelände erfolgreich zu vermarkten. Daraufhin erwarb die Stadt das Areal. Verwaltung und Gemeinderat waren besorgt, "dass die Projektentwicklung durch eine stadteigene Gesellschaft negative wirtschaftliche Ergebnisse mit sich bringen würde." Bei der Suche nach einem Ankerinvestor habe man sich für Tom Bock entscheiden, weil er sich engagiert gezeigt und bereits ein renommiertes Projekt in Frankfurt realisiert hatte.
Bock erwarb elf Bestandsgebäude sowie das Baufeld 4. "Der Verkaufspreis refinanzierte mehr als die Hälfte aller für die Entwicklung Turleys prognostizierten Kosten und war deutlich höher als der an die Bima bezahlte Verkaufspreis", so Kurz. Für ihn ein hervorragendes Ergebnis. 2015 erfolgte der Verkauf von Baufeld 5 an Bock.
Im Hinblick auf die fehlende Wertschöpfungs- oder Aufpreisklausel erklärte Kurz, es sei aus dem Gemeinderat heraus der Eindruck erweckt worden, dass dies "aus einer abweichenden und unreflektierten Praxis der MWSP und dem Mangel, dass dem Gemeinderat nicht in Gänze die Vertragsgenehmigung obliegt hätte" resultiert. Allerdings gebe es besagte Klausel auch nicht bei Verträgen, die die Stadt mit anderen Investoren, beispielsweise beim Glückstein-Quartier, abgeschlossen habe, stellte der OB klar. Hier habe der Gemeinderat vollen Einblick gehabt und Beschlüsse gefasst. Eine solche Klausel sei eben nicht üblich, betonte Kurz.
Es sei nachvollziehbar, dass der Verkauf Diskussionen nach sich ziehe – auch weil Tom Bock entgegen seiner früheren Aussagen nicht mehr als federführender Investor auftrete. Diese "Dimension von Gewinn und die Art der Abwicklung" habe "Enttäuschung und Empörung ausgelöst, so Kurz. "Und ich teile diese Gefühle." Dennoch empfahl er, sich auf die Fakten zu konzentrieren.
Positiv sei, dass nach einem Jahr Stillstand auf Turley wieder Bewegung in das Projekt gekommen sei (siehe Artikel oben). Man stehe mit den neuen Investoren in konstruktivem Austausch. Die Bildung eines Ausschusses zur Akteneinsicht, hält Kurz für nicht zielführend. Man wolle jedoch die Fragen der Stadträte beantworten. Wie genau, das will Kurz im Ältestenrat besprechen. Dort werden auch die Anträge von Bürgerfraktion und Mannheimer Liste auf Akteneinsicht behandelt.