Ungewöhnliche Musik und leckeres Essen: Beim "Nachtwandel" kamen die Besucher auch in diesem Jahr auf ihre Kosten. Fotos: Millenet
Von Jan Millenet
Mannheim. Die Straßen sind voll, die Luft duftet nach Gegrilltem, es ist bunt. Der "Nachtwandel im Jungbusch", dieses Jahr die 14. Ausgabe, verwandelt den Szenestadtteil am Freitag und Samstag wieder in eine pulsierende Kunst- und Kulturbühne. Es kommen Tausende, um den "Busch" zu feiern und eine Vielfalt zu genießen, die es so bei anderen Ereignissen in Mannheim kaum zu erleben gibt. Viele Gesichter strahlen Zufriedenheit aus, aber es gibt auch kritische Besucherstimmen, die eine deutliche Charakteränderung des "Nachtwandels" beobachten.
Über 800 Kunstschaffende verteilen sich dieses Jahr über den gesamten Stadtteil. Essensstände an allen Ecken und überall Musik prägen die Szenerie. Auf den ersten Blick hat sich eigentlich nicht viel verändert, wenn man sich beim "Nachtwandel" durch die Straßen quetscht. An die riesigen Besucherzahlen haben sich wohl viele schon gewöhnt. Und wie immer gibt es allerhand zu sehen. "Es ist wieder richtig viel los", bestätigt der Mannheimer Christian Knosalla. Er liebt das Fest im "Busch", besonders den Multikulti-Charakter.
Nachtwandel 2018 im Mannheimer Jungbusch - die FotogalerieDas sei ganz anders als bei vielen anderen Festen, die er in Mannheim kennt, findet er. "Einfach durchlaufen und irgendwo hängen bleiben", erklärt der 43-Jährige, sei seine Art, den "Nachtwandel" zu durchforschen. Auch Krystian Bocian ist begeistert. "Hier ist man nie lange alleine", erzählt er. Schnell treffe man auf Bekannte und Freunde oder lerne neue Leute kennen. Doch er merkt, dass sich der "Nachtwandel" auch irgendwie schon gewandelt hat. Der Kulturcharakter sei etwas zurückgegangen, die Party drücke sich in den Vordergrund.
Doch Probleme hat der 41-Jährige damit nicht wirklich. "Das hier ist halt Mannheims Reeperbahn", sagt er lachend. Da gebe es nun mal Remmidemmi. Doch genau das versuchen die Veranstalter eigentlich zu verhindern, wie Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz und der Leiter des Gemeinschaftszentrums Jungbusch, Michael Scheuermann, im Vorfeld betonten. Nicht die Party soll im Vordergrund stehen, sondern die Bewohner, deren Kultur und die Kunst. Wie einst in den Anfängen.
Und tatsächlich, man findet man sie auch noch, die kleinen Jungbuschperlen, die den "Nachtwandel" so liebenswert machen: den Pizzabäcker, der beim Pizzamachen italienische Liebes-Schnulzen singt; die türkische Band, die den Spielplatz in der Beilstraße mit orientalischen Klängen erfüllt; oder General Schweißtropf, den Pfälzer, der schon seit der "Nachtwandel"-Premiere vor vielen Jahren seine Mundartgedichtchen und -geschichtchen aus dem Fenster des "Café Blau" schmettert und für Verwunderung und Amüsement sorgt.
Kunstvoll ging es in der Nähe der Hafenkirche zu.
Auch die unentdeckten Locations wie Hinterhöfe, kleine Galerien, geschlossene Läden, die wieder zum Leben erweckt werden, gibt es wie immer bei dem Kulturevent zu entdecken. Vorausgesetzt man kommt hinein, denn dank der schärferen und auch sinnvollen Auflagen darf oftmals nur eine bestimmte Anzahl an Menschen die Kunststätten besuchen. Lange Schlangen davor sind die Folge, und nicht jeder hat Lust sich anzustellen.
Die Mannheimerin Michaela Thiem hat sich dieses Jahr auch einfach mal treiben lassen, erzählt sie. Mit dabei ihre Bekannte Birgitta aus Ludwigshafen. Und beide zeigen sich von der aktuellen "Nachtwandel"-Ausgabe etwas enttäuscht. "In der Zwischenzeit hat er eher Jahrmarktscharakter", so die Mannheimerin. Musik und Live-Bands dominierten in der Zwischenzeit die Szene. "Es gibt weniger Performances und Ausstellungen", meint sie. Auch die verschiedenen Besonderheiten der einzelnen Nationen vermisse sie. Das Angebot an Weltmusik sei ihrer Meinung nach zurückgegangen.
Die Ludwigshafenerin stimmt zu. "Es ist zu volksfestmäßig", sagt auch sie. Doch es sei ein Wandel, den man wohl nicht aufhalten könne. "Denn auch der Charakter des Stadtteils wandelt sich", so Michaela Thiem. Den "Nachtwandel" sieht sie als eine Art Spiegel.
Dennoch blasen die beiden kein Trübsal. Immerhin entdecken sie beim "Nachtwandeln" doch noch eine Band, die sie begeistert. Und egal, wie sich die Veranstaltung mit den Jahren wandelt: Diese Überraschungseffekte wird es wohl immer geben. Das ist und bleibt das Schöne daran.
Ungewöhnliche Musik und leckeres Essen: Beim "Nachtwandel" kamen die Besucher auch in diesem Jahr auf ihre Kosten.