Sorgen dafür, dass sich kreatives Angebot und Nachfrage finden: Christian Scherer (vorn) und Michel Wiskandt. Foto: zg
Von Volker Endres
Mannheim. "In fünf Jahren wollen wir die Kreativbranche in Deutschland vorangebracht haben", sagt Christian Scherer. Gemeinsam mit seinem Partner Michel Wiskandt hat der 30-Jährige das Unternehmen myTalents Community GmbH gegründet. "Wir sammeln die Talente Mannheims auf unserer Plattform", so der Jungunternehmer.
Kreative in Deutschland, egal ob sie töpfern, malen oder musizieren, ob sie Yogakurse oder Kaffeeröst-Workshops anbieten, haben ein Problem: "Wie komme ich zum Kunden", stellt Scherer fest. Kunden bleiben eher bei Angeboten von Amazon hängen. Der US-Konzernversteht es, die Algorithmen der Sozialen Medien geschickt für sich zu nutzen. Eine Aufgabe, die "myTalents" künftig für Kreative aus der Nachbarschaft übernehmen will. "Ich habe mich immer gefragt, warum Kreative es so schwer haben, Geld zu verdienen. Vielleicht, weil es sich in den Köpfen festgesetzt hat, dass jemand kein Geld verdienen darf, wenn er etwas mit Leidenschaft macht."
Michel Scherer spricht dabei aus Erfahrung. Mit seiner Band Dreams Instead sei es nie leicht gewesen, Auftritte zu organisieren. Seine Masterarbeit befasste sich deshalb mit den Themen Start-up-Unternehmen und Musikgeschäft. "Aber ich habe nicht an der Popakademie studiert", stellt er klar. Den Ausschlag für die Selbstständigkeit gab ausgerechnet sein ehemaliger Arbeitgeber, die MVV Energie GmbH, mit einem Innovationsprojekt, bei dem tragfähige Geschäftsideen für eine besser vernetzte Gemeinschaft gesucht wurden. "Ursprünglich waren das 150 Ideen, dann zehn, und dann noch zwei", erzählt Scherer, der im vertreib tätig war. Die Idee der Talentförderung begeisterte ihn so sehr, dass er sich zur Gründung eines eigenen Unternehmens entschloss. Auf dem Weg dorthin gab es Unterstützung aus vielen MVV-Unternehmensbereichen. Scheres Plan begeisterte auch Michel Wiskandt. Der Wirtschaftsinformatiker tat sich mit Scherer zusammen. Beide verließen das MVV-Hochhaus und zogen ins Existenzgründerzentrum C-Hub. Wiskandt ist für die technische Umsetzung sowie die persönliche Betreuung der Talente verantwortlich.
Auch die Stadt Mannheim habe ihren Anteil: "Die Wirtschaftsförderung hat Potenzial für eine kreative Stadt gesehen", erzählt Christian Scherer. Im neuen Quartier Franklin finden bald viele Menschen neu zusammen. Menschen, die sich nicht kennen, aber die beispielsweise durch das kreative Netzwerk von myTalents miteinander in Kontakt kommen können.
Eine Geschäftsidee, die auch das Land Baden-Württemberg überzeugt hat. Mit den beiden Anschiebern Stadt und MVV übernahm das Land 80 Prozent der Gründungskosten. Christian Scherer und Michel Wiskandt wählten für die Gründung nicht etwa ein Einzelunternehmen, sondern gleich die Form der GmbH. "Auch als Zeichen der Sicherheit gegenüber unseren Investoren", bekräftigt der Jungunternehmer.
Seit Oktober ist das Unternehmen am Start. Der Zuwachs ist beachtlich. "Wir haben schon 50 Kreative unter unserem Dach versammelt." Für die sei die Beteiligung an der Plattform kostenlos. "Wir erheben erst eine Gebühr, wenn ein Vertrag zwischen einem Kunden und einem Talent entsteht", beschreibt Scherer das Geschäftsmodell. "Bei uns kann man Talente direkt buchen."
Für Christian Scherer hat die Selbstständigkeit viel verändert: "Ich habe meinen Mercedes-Dienstwagen gegen ein gebrauchtes Fahrrad getauscht", sagt er und lacht. Immerhin war er knapp zehn Jahre lang beim Mannheimer Energieversorger angestellt, kam zunächst als dualer Student aus einem Dorf in der Nähe von Tauberbischofsheim in die Großstadt und hat nach dem Studium lange im Vertrieb für erneuerbare Energien und der Erschließung von neuen Wohngebieten gearbeitet.
"Ja, da habe ich schon richtig gut Geld verdient." Erfüllt habe ihn die Aufgabe aber nicht. Mittlerweile fahre er jeden Tag mit dem Rad aus der Wohnung in der Neckarstadt ins Gründerzentrum C-Hub, "und ich habe dabei jeden Tag ein Lächeln im Gesicht. Ich würde diesen Schritt immer wieder so machen. Der Umgang mit so vielen kreativen Menschen gibt dir viel mehr als jeder Euro."
Und die Idee funktioniert. Schon nach zwei Monaten am Markt verstärkt seit Dezember ein weiterer Mitarbeiter das myTalents-Duo, dass mit seinem Angebot zunächst den Großraum um Mannheim abdeckt. "Aber wenn es funktioniert, dann muss man sich auch fragen, ob es nicht auch in Karlsruhe, Frankfurt oder Berlin funktionieren kann." Mit einer App inklusive Standorterkennung könnten mobile Kunden so beispielsweise in jeder Stadt ein passendes kreatives Angebot, etwa einen Yoga-Kurs oder ein Whisky-Tasting, für sich entdecken.