Stadtrat Roland Weiß 2010 vor dem Arbeitsgericht. Im Oktober 2010 wurde Weiß von seinem damaligen Arbeitgeber, dem ASB, fristlos gekündigt. Damals klagte er gegen die Kündigung am Arbeitsgericht und zeigte sich auch selbst an. Foto: masterpress
Von Annegret Ries
Ein Angeklagter, der sich selbst angezeigt hat, aber die Vorwürfe der Anklage bestreitet. Ein Prozess mit dieser ungewöhnlichen Konstellation läuft zur Zeit am Schöffengericht des Amtsgerichts Mannheim. Der Angeklagte ist in Mannheim kein Unbekannter: Roland Weiß, der seit zehn Jahren im Gemeinderat ist, Landtagsabgeordneter war und 27 Jahre lang als Regionalgeschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) arbeitete.
Im Oktober 2010 bekam der damalige SPD-Stadrat, der inzwischen für die Mannheimer Liste im Gemeinderat ist, von seinem Arbeitgeber eine fristlose Kündigung. Weiß habe Sozialversicherungsabgaben sowie Beiträge für eine Altersversorgung der Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß abgeführt, nannte der ASB als Hauptgründe für die Kündigung. Vorwürfe, die Weiß nicht auf sich sitzen lassen wollte. Er klagte nicht nur gegen seine Kündigung am Arbeitsgericht, sondern zeigte sich auch selbst an. So wollte er erreichen, dass in einem Strafverfahren seine Unschuld bewiesen wird. Das arbeitsgerichtliche Verfahren endete 2011 mit einem Vergleich.
Von den strafrechtlichen Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft Mannheim aufgrund der Selbstanzeige startete, war lange nichts zu hören. Im September 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Weiß und den früheren Rettungsdienst- und Personalleiter des ASB. Auch ihm war 2010 fristlos gekündigt worden, auch sein Verfahren vor dem Arbeitsgericht endete mit einem Vergleich.
Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt wirft Oberstaatsanwalt Uwe Siegrist den Angeklagten vor. Was bedeutet, dass die beiden Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß abgeführt haben sollen. Das bestreiten die Angeklagten. Seit Dezember versucht das Schöffengericht zu klären, ob die Anklage zutrifft. Am gestrigen dritten Verhandlungstag äußerte die Vorsitzende Richterin Gabriele Schöpf die Befürchtung, "dass wir uns in eineinhalb Jahren noch hier sehen".
Knapp 98 000 Euro sollen die beiden Männer zwischen Januar 2006 und September 2010 den Sozialversicherungen vorenthalten haben. Die dieser Summe zugrunde liegenden Berechnungen seien falsch, monierte Frank Weisschuh, Anwalt des ehemaligen Personalleiters. Es sei falsch gerechnet worden, gestand gestern eine Mitarbeiterin der Kriminalpolizei. Es gehe um knapp 87 000 Euro. Auch die jetzigen Berechnungen werden von Weisschuh infrage gestellt.
Streitpunkt ist auch die Gesellschaft zur Betreuung und Pflege alter Menschen (GeBeP). Die wurde 2010 von ASB und Arbeiterwohlfahrt (AWO) gegründet, weil die GeBeP, "nicht an Tarifverträge gebunden" war und "beim Arbeitsrecht mehr Spielraum" hatte, wie gestern der als Zeuge geladene ehemalige SPD-Stadtrat und ehemalige Geschäftsführer der AWO, Claus-Peter Sauter, sagte. "Das war eine unternehmerische Entscheidung. Ob sie richtig war, sei dahingestellt", so der Träger der Ehrennadel des Landes.
Der Oberstaatsanwalt ist der Überzeugung, dass die Entscheidung letztendlich das Zurückhalten von Sozialversicherungsbeiträgen ermöglichte. Denn Mitarbeiter des ASB hätten nicht sozialversicherungspflichtige Nebenjobs bei der GeBeP gehabt und dort Arbeiten erledigt, die Aufgaben des ASB gewesen seien.