Von Alexander Albrecht
Was am Abend des 25. Juli 2015 in den G- und H-Quadraten passierte, ist weitgehend klar: Drei Salafisten - radikale Muslime - sind beleidigt, angegriffen und verletzt worden. Aber von wem? Seit Mitte September müssen sich zwei Kurden - 23 und 24 Jahre alt - vor dem Amtsgericht verantworten. Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann wirft den beiden eine politisch motivierte Tat vor. Die Angeklagten sympathisierten mit der verbotenen kurdischen Untergrundorganisation PKK.
Doch die Beweislage ist dürftig, wie sich auch am Verhandlungstag am Donnerstag zeigte. Ein Ehepaar berichtete, wie ihm damals in der Straßenbahn zwei Männer aufgefallen seien. Sie hätten lautstark und in derber Sprache triumphiert. Weil dem Paar zudem die vielen Krankenwagen und Polizeiautos in der Stadt nicht entgangen waren, machte der Ehemann kurz nach dem Aussteigen ein Bild von dem Duo in der Bahn. Ein sehr schlechtes allerdings wegen der Spiegelungen der Scheiben. Dennoch entschlossen sich die Eheleute, zum nächsten Polizeirevier zu gehen. Im Zeugenstand konnten sie am Donnerstag nicht sagen, ob es die Angeklagten waren.
"Von der Statur her könnte es passen", meinte die Frau mit Blick auf einen der Männer, der korpulent ist. Und die Gesichter? Daran konnten sie sich nicht mehr erinnern. Eine weitere Zeugin hatte die Angeklagten kurz nach der Attacke per Mobiltelefon fotografiert. Sie lebt allerdings inzwischen in Kanada und muss nicht vor Gericht erscheinen. Es deutet derzeit in diesem Fall also vieles auf einen Freispruch hin. Eine Verurteilung erscheint zumindest fraglich. Die drei Salafisten hatten im Juli letzten Jahres im Rahmen der "Lies-Aktion" kostenlose Exemplare des Korans in der Innenstadt verteilt. Das mit Schlagwerkzeugen malträtierte Trio erlitt Prellungen, Rippenbrüche und Kopfverletzungen.
Einer der verletzten Koranverteiler war der Kölner Prediger Ibrahim Abou-Nagie. Die von ihm gegründete islamistische Vereinigung "Die wahre Religion" und die "Stiftung Lies" sind Mitte November von Bundesinnenminister Thomas de Maizière verboten worden.
Abou-Nagie soll nach Informationen des Verfassungsschutzes einer der zentralen Drahtzieher in Deutschland bei der Rekrutierung von Terrorkämpfern für den Islamischen Staat sein. Beim Prozessauftakt hatte der möglicherweise in Malaysia untergetauchte Palästinenser erklärt, sich wegen der Schläge nicht mehr an den Angriff erinnern zu können.
Der übergewichtige Angeklagte muss sich allerdings noch in einer zweiten Sache verantworten. Und auch hier ist der Hintergrund politisch. Gemeinsam mit anderen soll der 24-Jährige im November 2015 in Mannheim einen Autokorso mit feiernden türkischen Erdogan-Anhängern angegriffen und zwei Autos beschädigt haben. Hier erkannten nach Angaben Grossmanns Personen in den betroffenen Wagen den Angeklagten vor Gericht wieder.
Der 24-Jährige sei inzwischen erneut angeklagt worden - weil er während der Fußball-EM türkische Fans attackiert und einen Mann verletzt haben soll. Der Prozess soll am 16. Januar um 13 Uhr mit den Plädoyers fortgesetzt werden.