Ein Polizeiauto fährt nachts in der Altstadt Streife. Vor allem nach Mitternacht sollen laut Polizeipräsident Andreas Stenger jetzt noch mehr Einsatzkräfte als bisher im Stadtteil unterwegs sein. Foto: Sven Hoppe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Zwei Großeinsätze in der Heidelberger Altstadt hielten an den beiden vergangenen Wochenenden die Polizei auf Trab. Die Beamten verteilten Dutzende Platzverweise, mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft sogar in einem Fall wegen versuchten Totschlags. Polizeipräsident Andreas Stenger erläutert im RNZ-Interview, wie er die aktuelle Lage einschätzt.
Herr Stenger, entwickelt sich die Altstadt zum Hotspot?
So hart würde ich es nicht formulieren. Aber da in der Corona-Krise die Clubs geschlossen sind, treffen sich derzeit die Menschen im öffentlichen Raum. Heidelberg hat hier eine Sogwirkung. Die Leute kommen aus dem ganzen Umland, aus Südhessen, aus der Pfalz. Daher ist hier nachts einfach viel los, und zwar bis weit in die frühen Morgenstunden. Mit vorgerückter Stunde und einem höheren Alkoholpegel haben wir mehr Aggressivität und Gewalt. Doch wir sind hier mit der Sicherheitspartnerschaft von Stadt und Land gut aufgestellt. Jedes Wochenende unterstützen uns jetzt schon zwei Gruppen des Polizeipräsidiums Einsatz, das sind alles in allem rund 20 Polizistinnen und Polizisten, die uns vor allem in den kritischen Zeiten zusätzlich zur Verfügung stehen.
Polizeipräsident Andreas Stenger. Foto: SchmidAm vorletzten Wochenende haben Ihre Kollegen 30 Platzverweise erteilt.
Bei diesem Einsatz ist aus polizeilicher Sicht alles mustergültig abgelaufen. Durch Absperrungen konnten wir die Störer identifizieren und Platzverweise erteilen. Im Nachgang hat die Stadt mehrmonatige Aufenthaltsverbote für die Altstadt verteilt. Genau das ist der Ansatz der Sicherheitspartnerschaft.
Vergangenen Samstag ging es nicht so glimpflich ab. Nach einer Messerattacke auf dem Marktplatz sitzt ein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft. Wenig später gingen zwei Männer mit abgebrochenen Flaschen aufeinander los.
Leider können wir nicht alle diese Vorfälle verhindern. In der Tat war an den letzten beiden Wochenenden viel los: Es gab viele Störungen, auffälliges Verhalten, alles im Kontext mit Alkohol. Und manchmal haben die Leute bei Auseinandersetzungen auch Messer dabei. Daher werden wir noch einmal die polizeiliche Präsenz nach Mitternacht erhöhen. Wir wollen noch mehr unterwegs sein, noch mehr kontrollieren. Dadurch können wir auch bestehende Aufenthaltsverbote gegen Wiederholungstäter durchsetzen.
Am letzten Wochenende wurden auch Polizisten angegriffen. Sicherlich wollen sie auch den Schutz der Beamten verbessern?
Darum geht es auch. Es ist immer wieder zu beobachten, dass sich Passanten mit gerade Festgenommenen solidarisieren. Auf einmal stehen Schaulustige um einen herum, es werden Handys gezückt. Das kann bis zur versuchten Gefangenenbefreiung gehen. Daher müssen wir zeigen, dass wir jederzeit Herr der Lage sind.
Aber das Gros der Leute feiert doch friedlich in der Altstadt?
Unbedingt. Die meisten Leute sind entspannt. Auch am Neckarvorland haben wir meist eine friedliche, chillige Atmosphäre. Erst zu vorgerückter Zeit sieht man mehr sichtbar Betrunkene auf der Straße. Es knistert – manchmal genügt ein falsches Wort oder ein krummer Blick und schon geraten zwei Streithähne aneinander.
Alles in allem aber keine Stuttgarter Verhältnisse?
Bei Weitem nicht. Wenn es auch hier zu einzelnen Vorfällen kommt, so haben wir nicht das Potenzial an Störern und Straftätern, die in Stuttgart auf Randale aus waren.
Sie haben schon vom Faktor Alkohol gesprochen: Im Mannheimer Jungbusch dürfen jetzt Tankstellen, Kiosks und Supermärkte nachts keinen Alkohol mehr auf die Straße verkaufen. Wäre das auch in Heidelberg wünschenswert?
Ich finde, man sollte nicht immer gleich alles reglementieren und verbieten. Im Jungbusch hatten wir jetzt das erste Wochenende mit Alkoholverkaufsverbot. Und in der Tat blieb es ruhig. Aber es ist jetzt viel zu früh, um gleich eine positive Bilanz zu ziehen. Hamburger Kollegen haben auch gute Erfahrungen damit gemacht. Aber wir müssen auch die Balance halten: Die jungen Menschen müssen doch irgendwo hin. Wir müssen ausgewogen bleiben.
In der Corona-Krise haben die Straftaten zeitweise um 75 Prozent abgenommen. Wie ist derzeit die Lage in Heidelberg?
Es ist wieder ein bisschen Normalität eingekehrt. Wobei man sagen muss, dass sich die Zahlen in Heidelberg seit Jahren günstig entwickeln. Durch Corona wurde das noch einmal verzerrt: Es wurde nicht mehr geklaut, nicht mehr schwarz gefahren. Dafür beschäftigen uns in letzter Zeit klassische Nutzerkonflikte im öffentlichen Raum. Die Einsätze wegen Ruhestörungen haben stark zugenommen. Vorvergangenes Wochenende hatten wir im Bereich des Polizeipräsidiums 600 solcher Einsätze. Die einen wollen feiern, die anderen schlafen. Und da es mit der Rücksichtnahme und der Verantwortung nicht immer so klappt, macht uns das viel Arbeit.
Viel Arbeit macht ihnen sicher auch die Attacke auf eine Joggerin am Neuenheimer Leinpfad, wobei die Frau in den Neckarkanal gestoßen wurde. Gibt es hierzu etwas Neues?
Noch nicht. Wir suchen mit einem Phantombild und mit Hochdruck nach dem Täter und gehen vielen Hinweisen nach. Leider kann ich noch keinen Ermittlungserfolg vermelden. Wir haben aber unsere Kontrollen im Neuenheimer Feld und am Neckarufer verstärkt.