Martin Bachmann wohnt an der Friedrich-Ebert-Anlage und misst dort Stickoxid-Werte. Foto: Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Heidelberg hat ein Stickstoffoxid-Problem - das legen Recherchen des SWR nahe. Die Zuschauer und Hörer des Senders haben mit sogenannten NO2-Röhrchen die Luftbelastung gemessen und kamen zu dramatischen Ergebnissen: Demnach überschreitet die Bergheimer Straße mit 55 Mikrogramm pro Kubikmeter deutlich den EU-Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm.
Für die Stadt Heidelberg ist das keine Überraschung. Die Werte der LUBW zeigen den Jahresschnitt, die Messungen des SWR gingen über ein bis vier Wochen. "Ein Wert von 55 Mikrogramm ist da durchaus möglich, aber nicht sehr aussagekräftig", betont Raino Winkler vom Umweltamt. Die offizielle Messung ergab 2016 einen Jahresmittelwert von 42 Mikrogramm. Das sei im Vergleich zu Städten wie Stuttgart nicht dramatisch, aber ein Problem, an dem es zu arbeiten gelte.
Entsprechend ist saubere Luft gerade in den Großstädten der Metropolregion Rhein-Neckar weiter ein Thema. Im Rahmen des zweiten "Dieselgipfels" in Berlin haben Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen ein gemeinsames Förderprogramm zur Luftreinhaltung beantragt. Die Maßnahmen ihres Masterplans "Green City" sollen die Stickoxidbelastung schnell und spürbar reduzieren.
Beim Umweltamt der Stadt ist man davon irritiert: "Das ist ziemlich ärgerlich aus fachlicher Sicht", klagt Raino Winkler, Abteilungsleiter für technischen Umweltschutz. Dass es in Bergheim ein Problem mit Luftverschmutzung gibt, ist zwar bekannt, die Werte des SWR seien aber wenig hilfreich. Denn die Messungen mit den Röhrchen erfolgten über ein bis vier Wochen - und seien deshalb nicht vergleichbar mit dem EU-Grenzwert. Gerade in der kalten Jahreszeit komme es öfter zu erhöhten Werten. Das Ergebnis der SWR-Messung sei für den kurzen Zeitraum zwar plausibel, aber nicht aussagekräftig - im Gegensatz zum offiziellen Wert der Messstation in der benachbarten Mittermaierstraße.
Dort hat man für das Jahr 2016 einen Mittelwert von 42 Mikrogramm ermittelt - und damit etwas mehr als die erlaubten 40. Das sei natürlich ein Problem, aber im Vergleich zu Städten wie Stuttgart und München, wo das Jahresmittel bei 80 liege, nicht dramatisch. Die Messstelle wurde laut Winkler bewusst ausgewählt, weil hier mit einer Überschreitung der Grenzwerte zu rechnen war: "Das ist eigentlich in allen Straßen der Fall, auf denen täglich mehr als 20.000 Fahrzeuge fahren, die dicht bebaut sind und quer zur Windrichtung liegen", so Winkler.
Martin Bachmann vermutet, dass auch in der Friedrich-Ebert-Anlage der Grenzwert nicht eingehalten wird. Der Familienvater hat dort in den letzten Wochen selbst Stickoxid-Messungen durchgeführt. Nicht mit einem Röhrchen, sondern mit einem Sensor, den sich der 47-Jährige aus dem Internet bestellt hat: "Das Gerät ist zwar nicht geeicht, aber meine Werte liegen die ganze Zeit über den Grenzwerten."
Er ist Teil einer Open-Data-Gemeinschaft: Immer mehr Menschen legen sich einen Sensor zu und übermitteln die Werte an eine Internet-Datenbank. "Je mehr mitmachen, desto besser wird die Qualität der Daten", so Bachmann. Bislang zeigt die Karte unter http://luftdaten.info einen anderen Messpunkt in Heidelberg beim Neckarmünzplatz. Hier sind die Ergebnisse meist niedriger als in der Friedrich-Ebert-Anlage.
Winkler kann sich jedoch nicht vorstellen, dass in der Altstadt die Luftbelastung dauerhaft zu hoch ist: Hier fahren keine 20.000 Fahrzeuge täglich, zudem verlaufe die Straße parallel zur Windrichtung: "Da wird das Jahresmittel auf jeden Fall eingehalten." Nichtsdestotrotz sei die Stadt bemüht, die Luftbelastung weiter zu senken. "Wir haben hier den Vorteil, dass die Bürger schon sehr umweltbewusst sind", betont Winkler.
Das zeige sich daran, wie viele Menschen auf das Auto verzichteten und auf Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel umstiegen. Denn der Pkw sei auch weiterhin das größte Problem, so Winkler. Deshalb sieht er die Verantwortung bei der Automobilindustrie: "Was wirklich helfen würde, wäre eine konsequente Reaktion der Autokonzerne auf die zu hohe Luftbelastung - etwa durch eine freiwillige Nachrüstung von Fahrzeugen."