Probesitzen in der „guten Stube“: Die Sessel links und rechts könnten mit den Hubpodesten ausgefahren und aufgeklappt werden. Diese Variante wäre aber auch um 1,9 Millionen Euro teurer. Foto: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Es ist eine Entscheidung, die am besten mit dem Hintern gefällt wird. Und mit den Beinen. Gerne nahmen daher am Freitag rund 120 Heidelbergerinnen und Heidelberger das Angebot von "Heidelberg Marketing" und Architekt Felix Waechter wahr, um in der Stadthalle Probe zu sitzen. Etliche nutzten die Gelegenheit, um einen Fragebogen auszufüllen, welches der fünf unterschiedlichen Stuhlmodelle für sie am besten geeignet ist. Die Ergebnisse werden in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am kommenden Mittwoch besprochen. Denn dort fällt dann die Grundsatzentscheidung, ob die Besucher der sanierten Stadthalle auf automatisch versenkbaren und an den Hubpodesten verschraubten Stühlen oder auf losen Sitzgelegenheiten Platz nehmen werden. Die Stadträte selbst konnten sich selbst schon im Laufe dieser Woche ein Bild machen.
Immer wieder bilden sich gestern kleine Schlangen. Alle wollen die Stühle auf dem Podest ausprobieren. Sie sind in dem Abstand aufgestellt, den sie auch nach dem Stadthallenumbau haben werden. Auch der Höhenunterschied zwischen den beiden Stuhlreihen entspricht den Originalplänen von Waechter. Eines wird jedem auf Anhieb klar: Entscheidet sich der Haupt- und Finanzausschuss für die um 1,9 Millionen Euro teurere Variante mit versenkbaren Sitzen, können auch relativ breite und schwere Sessel verbaut werden. Im anderen Fall müssen eher filigrane und stapelbare Stühle gewählt werden. "Es geht jetzt nicht darum zu sagen, Orange will ich auf keinen Fall", klärt Stadthallenleiter Oliver Wolf auf. Über die Farbgebung und Bezüge der Stühle werde man sich zu einem viel späteren Zeitpunkt Gedanken machen müssen – zusammen mit dem Akustiker und dem Denkmalschutz. Auch welches Modell genau es sein soll, sei noch lange nicht entschieden.
Die Reaktionen beim Probesitzen sind sehr unterschiedlich. "Man sieht doch gleich, wo die Leute eher sitzen bleiben", sagt Charlotte Müller-Stromenger: "Auf den Sesseln." Das ist in ihren Augen "Manipulation". Auch Valerie Vierneisel empfindet die Auswahl der Probestühle als "nicht gerecht". So fehlt ihr eine Variante, die nicht fest verbaut werden muss, bei der aber – wie bei den alten Stühlen der Stadthalle – der Sitz hochgeklappt werden kann. "Die alten Stühle werden nicht mehr hergestellt", klärt Wolf auf. Daher müssten nun sowieso neue Sitzgelegenheiten beschafft werden. Eines gibt er aber auch zu Bedenken: Stapelbare Stühle brauche er auf jeden Fall auch in Zukunft – und sei es für ein Galadinner mit ebenem Parkett.
Für Doris Hemler, Altstadt-Bezirksbeirätin der Grünen, hat keines der präsentierten Modelle Charme. Jürgen Dürr kann sich hingegen mit einem der versenkbaren Sessel, der Variante D, anfreunden, aber nur wenn dann die Rücklehne der vorderen Stuhlreihe so gekürzt wird, dass man seine Beine durch die Öffnung hindurchstrecken kann. "Die Beinfreiheit ist für uns ältere Menschen ganz wichtig." Da er im Heidelberger Theater seit dem dortigen Umbau nun schlecht sitzt, hat er dort sein Abo gekündigt.
Gertrud Molling, die in der Stadthalle schon Fortbildungen, Tanzveranstaltungen und Konzerte besucht hat, würde sich für eine lose Bestuhlung, das Modell C, entscheiden. Peter Sigmann wiederum lehnt zu stark gepolsterte Stühle ab. "Die Akustik wäre dann wahnsinnig schlecht. Ich weiß, wovon ich rede", fügt der Organist hinzu: "Ich mache seit 60 Jahren Kirchenmusik."
Gegner der Hubpodeste, mit denen der Veranstaltungsraum per Knopfdruck wahlweise zum Konzertsaal mit aufsteigendem Gestühl oder als ebener Ballsaal umfunktioniert werden kann, waren gestern auch vor Ort. So auch Konzertveranstalter Jochen Flamme. Was jetzt geplant werde, sei einfach zu wichtig.
Info: Der Haupt- und Finanzausschuss tagt am Mittwoch, 5. Februar, um 17.30 Uhr im Neuen Sitzungssaal des Rathauses.