1971 zog der Süddeutsche Rundfunk in die Villa Bosch, 1994 wurde sie an Klaus Tschira verkauft. Foto: privat
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Das wissen heute wohl nur noch Alteingesessene: Heidelberg war immerhin fast ein halbes Jahrhundert lang Radiostadt. Von hier aus sendete der Süddeutsche Rundfunk (SDR) von 1946 bis 1995, zunächst aus dem einstigen Hotel "Prinz Max" in der Marstallstraße (später: Institut für Politische Wissenschaften), dann aus der Villa Bosch im Schloss-Wolfsbrunnenweg.
Bernhard Ballhaus erinnert sich noch gut an diese Zeit: Der altgediente Radiomann, der 2002 in den Ruhestand ging und in diesem Jahr 80 Jahre alt wird, kam 1969 vom "Mannheimer Morgen" zur Sendestelle Heidelberg, zum Zeitfunk, also zur aktuellen Berichterstattung, - und das SDR-Domizil im Herzen der Altstadt konnte kaum günstiger liegen, um die vielen Studentendemonstrationen als Reporter zu begleiten: "Das waren die aufregendsten Zeiten überhaupt. Es gab ja damals nur ein UKW-Programm, und in der ganzen Bundesrepublik wollte man wissen, was da los war."
Doch die Zeitfunk-Reporter waren eher eine Minderheit unter den gut 50 Angestellten, der Schwerpunkt lag bei den Hörspielen, Musik (es gab sogar einen Konzertsaal), dem Wissenschafts- und dem Schulfunk. "Die Sendestelle Heidelberg war ganz wichtig im SDR-Gesamtprogramm", resümiert Ballhaus.
In gewisser Weise gab es damals auch einen "Heidelberger Geist" mit anspruchsvollen Programmen, schließlich waren es die amerikanischen Besatzer, die 1946 die Sendestelle des Radio Stuttgart aus der Taufe gehoben hatten, um den Deutschen die Demokratie näherzubringen. In dem ehemaligen Hotel in der Marstallstraße ging es, wie sich Ballhaus erinnert, eng, aber familiär zu - auch so ein "Heidelberger Geist".
Im Anbau an der Villa Bosch entstand bis 1971 ein modernes Radiostudio für Nachrichten, Magazinsendungen und Hörspiele; heute ist das Studio ein Tagungszentrum. Foto: Stadtarchiv
Die erste Zäsur kam 1971 mit dem Umzug in die noble Villa, die Nobelpreisträger Carl Bosch 1921 hatte bauen lassen: "In der Marstallstraße waren wir noch ganz nah an den Akteuren, in der Villa Bosch hatten wir zwar viel dollere Räume, waren aber doch etwas weit vom Schuss", so Ballhaus. Und doch erlebte der Regionalfunk hier seine erste Blüte: Mit "Neues auf 99,9" hatten Ballhaus und der 2011 verstorbene Hannes Liebenstein eine erste Sendung ausgeheckt, die nah am Hörer war - beispielsweise durch Bürgerforen zu OB-Wahlen oder anderen aktuellen Themen, bis 1979 das "Kurpfalz-Radio" an den Start ging.
"In der Villa Bosch hatten wir unsere glücklichste Zeit, wir konnten uns sehr frei entwickeln." Und vor allem hatte man damals massig Sendezeit, mit Früh-, Mittags- und Nachmittagsmagazin und eigenen Sendereihen wie den "Kurpfälzer Köpfen" oder der "Nahaufnahme". Mit sieben Redakteuren war man beim "Kurpfalz-Radio" recht üppig ausgestattet, heute sind es noch zwei.
Die zweite Zäsur war 1989, als das neue Studio Mannheim im Landesmuseum für Technik und Arbeit eingeweiht wurde. Bis auf die Wissenschaftsredaktion - ihr Flaggschiff war die populäre Sendung "Ruf Heidelberg 2 71 67" - verließen alle Abteilungen Heidelberg. Für Ballhaus war das kein Drama: "Die Randlage der Villa Bosch war schon ein Problem. Man hat sie ja noch nicht einmal gesehen. Aber in Mannheim waren wir direkt an der Autobahn und für jeden gut erreichbar. Mannheim war ein Riesenfortschritt", sagt der Heidelberger Ballhaus, "das war eine große Chance, vor der Sentimentalitäten zurücktreten mussten. Bei ,Kurpfalz-Radio’ gab es keinen, der das nicht gewollt hat."
Schließlich entschied sich der SDR 1994, die Immobilie an Klaus Tschira zu verkaufen - auch weil die Kosten für die Instandhaltung langsam zu hoch wurden - die dritte Zäsur. Viele Heidelberger, darunter auch die damalige Oberbürgermeisterin Beate Weber und der gesamte Gemeinderat, protestierten gegen den drohenden Kahlschlag - erfolglos.
Die Berichterstattung über Heidelberg habe mit dem Komplettumzug nach Mannheim 1995 nicht gelitten, so Ballhaus: "Wir haben die eher intensiviert." Doch auch das ist mittlerweile Geschichte: "Die glücklichen Zeiten von ,Kurpfalz-Radio’ sind vorbei, wir haben kaum mehr Sendezeit", sagt Ballhaus. Aber das ist eine andere Radio-Geschichte.