Schadenersatz-Ansprüche drohen

Bluttest-Skandal könnte für Heidelberger Uniklinik noch teurer werden

Wenigstens bleibt ein Mäzen dem Universitätsklinikum treu. Die FDP fragte bei der zuständigen Ministerin Bauer nach.

07.01.2020 UPDATE: 08.01.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden
Der neue Bluttest für die Früherkennung von Brustkrebs entwickelte sich zum Skandal. Foto: Labor/Universitätsklinikum Heidelberg

Von Klaus Welzel

Heidelberg. Auf drei Millionen Euro beziffert ein interner Vermerk die bisherigen Aufklärungskosten für den Bluttest-Skandal. An anderer Stelle ist dagegen nur von einer Million Euro die Rede. Wie auch immer, der Skandal kann noch viel teurer werden: Denn über Heidelbergs wichtigstem Arbeitgeber schweben "möglicherweise noch jahrelang beträchtliche Regressansprüche wie ein Damoklesschwert".

Zu diesem Schluss kommt der FDP-Politiker Nico Weinmann, der zum Bluttest-Skandal erneut einen Antrag in den baden-württembergischen Landtag eingebracht hat. Darin fragt Weinmann nach möglichen finanziellen Risiken, die sich aus dem Heiscreen-Gründungsvertrag ergeben. Heiscreen ist die Firma, die den fertigen Bluttest vermarkten sollte. Zu den Gesellschaftern gehört unter anderem der Investor Jürgen B. Harder, dem das Klinikum über seine damalige Tochtergesellschaft TTH eine (allerdings interpretierbare) 100-Prozent-Garantie bezüglich der Zuverlässigkeit des Tests in den Vertrag schreiben ließ.

Muss das Klinikum jetzt zahlen, weil der Test bisher floppte? In seiner Antwort auf Weinmanns Antrag erklärt das Wissenschaftsministerium, es sei beim Universitätsklinikum "zwar die Inaussichtstellung eines möglichen Schadenersatzanspruches eingegangen, jedoch erfolgte zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Schadenersatzforderung, so dass eine Bewertung finanzieller Risiken derzeit nicht abschließend möglich ist". Will heißen: Vielleicht klagt Harder noch, vielleicht auch nicht.

Der Bericht der Unabhängigen Kommission unter Vorsitz der früheren Bundesverfassungsrichterin Christina Hohmann-Dennhardt und dem Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft, Matthias Kleiner, behauptete, diese Ansprüche seien bereits geltend gemacht worden. Das ist falsch. Und nicht der einzige Fehler in dem 400-Seiten-Papier. Deshalb ist sich auch der Rechtsbeistand von Bluttest-Erfinder Christof Sohn relativ sicher, dass das Disziplinarverfahren gegen seinen Mandanten nicht fruchten wird. Denn die wesentlichen Vorwürfe beziehen sich auf Erkenntnisse aus diesem Bericht.

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Sohn ging im Oktober, als der Kleiner-Bericht der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte, gegen die Veröffentlichung vor. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe gab ihm Recht, die Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim steht aus. Siegt der Chef der Unifrauenklinik auch in dieser Instanz, kann er wohl disziplinarisch überhaupt nicht bestraft werden. Aber auch so ist die Lage vertrackt. Und nicht wenige am Uniklinikum fragen sich, wieso man sich nicht längst auf ein Agreement mit Sohn eingelassen hat. Tenor: Es wird Zeit, nach vorne zu schauen und hinter den Bluttest-Skandal einen Haken zu setzen.

Nach vorne schauen möchte man auch im Wissenschaftsministerium, wie Ministerin Theresia Bauer (Grüne) in ihrer Antwort auf die FDP-Anfrage betont: Es ist "nun an der Zeit, den Blick nicht mehr in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft zu richten und sich wieder auf die herausragenden Qualitäten des Universitätsklinikums Heidelberg zu konzentrieren". Wichtig bleibe aber, "dass sich dieser einmalige Vorgang nicht wiederholt".

Gleichwohl war es Bauer, die bereits Anfang Juli eine Bestrafung der Verantwortlichen für den Bluttest-Skandal forderte. Und die Aufsichtsratvorsitzende Simone Schwanitz war es, die bei der Vorstellung des Zwischenberichts Ende Juli die Hauptverantwortung für den Skandal bei Sohn sah. Auch das Rektorat der Universität brach den Stab über Sohn; insbesondere als es im Oktober entgegen einer Absprache Auszüge aus dem internen Bericht der Senatskommission auf seiner Homepage veröffentlichte. Auch darin werden Sohn Vorwürfe gemacht. Die Veröffentlichung war ein glatter Vertrauensbruch – auch gegenüber dem Verwaltungsgericht Karlsruhe.

Der Parlamentarier Weinmann möchte in seinem Antrag noch wissen, wie das Ministerium das Interview wertet, das die ehemalige Leitende Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich nach ihrem Ausscheiden der "Zeit" gab. Darin rechnet sie mit ihrer Heidelberger Zeit ab. Das Ministerium sieht dennoch "keine schwerwiegende Verletzung von Schweigepflichten". Hintergrund: Grüters-Kieslich unterschrieb ebenso wie die ehemalige Kaufmännische Direktorin Irmtraut Gürkan einen Aufhebungsvertrag. "Über die Inhalte haben beide Parteien Stillschweigen vereinbart", informiert das Ministerium jetzt. Für Nico Weinmann alles in allem unzufriedenstellende Antworten: "Gerade in Sachen Transparenz und Problembewusstsein" blieben "die eigentlichen Fragen unbeantwortet".

Und doch gibt es inmitten all der Hiobsbotschaften auch Positives zu berichten: Klinikmäzen Dietmar Hopp steht trotz des Bluttest-Skandals weiterhin zur 100-Millionen-Spende für das neue Herzzentrum. Weinmann hatte nämlich gefragt, "inwieweit die Investitionsbereitschaft des Großsponsors des Uniklinikums Bestand hat?". Antwort von Ministerin Bauer: "Eine Rücknahme der Spende wurde vonseiten der Stiftung zu keinem Zeitpunkt erwogen."

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