Die Gästeführerinnen Gabriele Gerigk (Mitte) und Anne Sorg-Schumacher (rechts neben ihr) mit den Sommertouristen. Das Schloss hat auch Friedrich Hölderlin bei seinem ersten Besuch kennengelernt. Foto: Philipp Rothe
Von Julia Lauer
Heidelberg. Es war selbst für die Gästeführerinnen eine Premiere: Vor 250 Jahren wurde Hölderlin geboren, aus diesem Anlass hatten Anne Sorg-Schumacher und Gabriele Gerigk eine Führung zum Thema auf die Beine gestellt, doch coronabedingt fielen die bisherigen Termine aus. Nun kamen 20 RNZ-Leserinnen und -Leser auf der letzten Sommertour dieses Jahres in den Genuss dieser Führung. Bei einem spätsommerlichen Rundgang durch die Altstadt erfuhren sie in Anekdoten und Versen, was Hölderlin (1770-1843) mit der Stadt verband, die er als "der Vaterlandstädte ländlichschönste" gepriesen hatte.
RNZ-Sommertour: Auf den Spuren von Hölderlin in Heidelberg
Kamera, Redaktion und Produktion: Leon Zorn
> Heidelberg zur Zeit Hölderlins: ländlichschön? Die Altstadtgassen gaben zur Zeit der Besuche Hölderlins wohl nicht das allerbeste Bild ab, wie aus Berichten von Zeitzeugen hervorgeht. "Heidelberg bemühte sich, reinlicher zu werden", fasste Anne Sorg-Schumacher das Bestreben jener Ära zusammen. Damals hätten die Bewohner ihre Nachttöpfe am Morgen in den Gassen ausgeleert, vor den Häusern stand das Vieh. Doch zum Glück ließ sich Hölderlin davon nicht irritieren: "Die Stadt gefiel mir außerordentlich wohl", schrieb er seiner Mutter nach seinem ersten Besuch. Und er schwärmte weiter: "Die Lage ist so schön, als man sich je eine denken kann."
> Erster Heidelberg-Besuch: Bei seinem ersten Heidelberg-Besuch – 1788 – war Hölderlin 18 Jahre alt und Klosterschüler in Maulbronn. Er besuchte das Schloss samt Fass. "Das gehörte in Heidelberg eben schon immer zum touristischen Programm", so Gästeführerin Sorg-Schumacher. Mindestens eine kurze Wanderung hat Hölderlin, der Spaziergänge liebte, also vermutlich in Heidelberg unternommen – die Bergbahn fuhr damals noch nicht. Hölderlin blieb ein paar Tage in der Stadt.
> Weitere Heidelberg-Besuche: Sicher weiß man nur, dass Hölderlin noch ein weiteres Mal in der Stadt war: 1795. "Eventuell hielt er sich damals nur einen Nachmittag lang hier auf", berichtete die Gästeführerin Gabriele Gerigk. Er war auf Durchreise und traf in Heidelberg den Arzt und Naturforscher Johann Friedrich Ebel, der ihm eine Stelle als Hauslehrer bei einer Frankfurter Bankiersfamilie vermittelte, die sich als schicksalhaft für ihn erwies. "Der Autor Peter Härtling lässt das Treffen der beiden im Roman zwar im Hotel Ritter stattfinden, aber wo sie sich tatsächlich getroffen haben, ist nicht bekannt", berichtete die Gästeführerin.
> Die Ode: Hölderlins Ode an Heidelberg, veröffentlicht im Jahr 1800, ist der Stolz der Stadt – und ihrer Bewohner, wie bei dem Rundgang deutlich wurde. Eine Sommertouristin kannte Strophen auswendig, eine andere schwärmte von der Rhythmik des Gedichts: "Das ist antikes Versmaß", erklärte sie. Spaziergängern ist die erste Strophe der Ode womöglich vom Hölderlin-Stein am Philosophenweg bekannt, in den sie eingraviert ist. Der handschriftliche Entwurf befindet sich im Besitz des Kurpfälzischen Museums, das kommende Woche eine Ausstellung zu Hölderlin in Heidelberg eröffnet.
> Hölderlins Entdeckung: Immer wieder war Hölderlin zwar von Einzelnen gewürdigt worden. "Vor allem wurde er aber im 20. Jahrhundert entdeckt, der Germanist Norbert von Hellingrath war dann der erste", so Stadtführerin Gerigk. Hier schließt sich der Kreis: Hellingrath zog 1913 von München nach Heidelberg. Ob das an der Ode lag?