Im Moment der Entscheidung waren alle Augen auf Stadtrat Björn Leuzinger ("Die Partei") gerichtet, dessen Stimme das Zünglein an der Waage war. Er überließ sein Votum über den Erhalt der Ochsenkopfwiese dem "Welde-Bier-Orakel": Er öffnete die Flasche, im Kronkorken stand ein "Ja". Foto: tt
Heidelberg. (mare) Es ist tatsächlich passiert: Das "Welde"-Orakel hat den Ochsenkopf als Standort für den Heidelberger Betriebshof verhindert. Mit 25 zu 24 Stimmen entschied das am Donnerstag der Gemeinderat. Die entscheidende Stimme kam dabei von Björn Leuzinger, Stadtrat der Satirepartei "Die Partei". Und zwar nachdem er wie angekündigt den Kronkorken einer Bierflasche abzog: Im Deckel stand das Wort "Ja", also stimmte er mit "Ja".
Klar, dass dies Reaktionen hervorruft. Der Räte, aber auch der RNZ-Leser. Auf der RNZ-Facebook-Seite überschlagen sich die Kommentare. Und für dem Gemeinderat hagelt es überwiegend Hohn und Spott. Ein Überblick.
"Ab heute kann Heidelberg sich eine neue Auszeichnung hinzufügen: Welthauptstadt des Irrsinns", schreibt ein Leser. 20 Jahre Planung, Diskussion und viel Geld endeten im Kronkorken der Bierflasche des Vertreters einer Spaßpartei, schüttelt er den Kopf. Spaß, aber auch Spott und ernste Kritik stecken in diesem Kommentar und stehen stellvertetend für viele weitere Ansichten.
> Spaß: "Jetzt die entscheidende Frage: kann durch den Flaschenboden der Aufdruck des Kronkorkens gelesen werden?", unkt ein Nutzer, ob Leuzinger vielleicht doch wusste, was er tat. "ich sag’s ja immer wieder ... das Welde Orakel hat immer recht!!", schreibt diese Leserin. "Es hat noch nie eine falsche Aussage getroffen! Oder sich für das falsche entschieden!! ???"
Darauf meldet sich auch Stadtrat Leuzinger. Er postet: "Richtig, der Beweis: Frag das Orakel mal, ob unter dem Deckel Ja steht."
Dieser Leser lacht: "Und wie hat nicht dereinst schon ein weiser Mann gesagt: Kommunalpolitik ist ein einfaches Spiel. 49 Gemeinderäte streiten jahrelang hin und her, verpassen das eine oder andere Quorum, argumentieren dann trotzdem mit der "Stimme des Volkes" ... und am Ende entscheidet das Welde Orakel. ❤"
> Spott: "Bananenrepublik?", lautet ein Kommentar dieser Kategorie. Weitere Beispiele: "Pointen statt Politik - nein Danke ?",
"Leuzinger, you made my day", tippt dieser Leser. Er schiebt nach: "Diese Kommunalpolitik kann und will ich nicht mehr ernst nehmen und nüchtern ist sie auch nicht zu ertragen."
Eine weitere Ansicht: "Wer Grün wählt, muss dann auch damit klar kommen. ??♂️", schreibt ein User. Die Grünen als auch das nicht erreichte Quorum beim Bürgerentscheid kommen immer wieder ins Spiel: "Mal wieder werden auch in Heidelberg die Wählerstimmen ignoriert ... Grün und einem Kasper sei dank ... Quorum klar verloren , Minderheiten leben hoch ????", meint dieser User. Oder: "Dann hätte man sich den ganzen Entscheid auch sparen können und gleich ne Münze werfen können."
> Kritik: "Soviel Zeit und soviel Geld vergeudet. Ich könnte heulen", postet ein User. "Wie soll ich meinem Kind erklären, dass es wählen gehen soll?" Das sei sinnlos. Er mahnt: "Denken gewählte Politiker mal bitte über die Verantwortung nach, die sie tragen!"
Dieser Leser sieht es ähnlich: "Politische Entscheidungen macht man mit Verstand und nicht mit 'Ohmen'. "Satire und "Spass" hätten dabei nichts zu suchen. Es gibt eine Antwort darauf: "Mit welcher Begründung dürfen unsere Altherrenparteien tagtäglich Realsatire machen, Satiriker hingegen keine Politik?", kontert ein Nutzer.
"Herzlichen Glückwünsche nach Heidelberg", lautet ein weiterer Post. "Durch die Satire-Aktion eines Politikers wurde dort über lange Sicht die Chance auf einen zukunftsfähigen, klimafreundlichen und leistungsfähigen ÖPNV aus der Hand gegeben." Er fasse es nicht, so der User.
Das Szenario fördere die Politikverdrossenheit, glaubt ein anderer Leser. Er schreibt: "Wenn ein Abgeordneter im Gemeinderat mit einer Bierflasche seine Entscheidung fällt, ist das schlichtweg eine Beleidigung den Menschen gegenüber, welche sich intensiv und mit vielen Überlegungen in die Thematik eingearbeitet haben.
Einen Schildbürgerstreich sieht dieser Nutzer in der Entscheidung. Er meint: "Traurig wie weit es gekommen ist." Und diese Userin schreibt schließlich: "Wie kann es sein, dass ein Bier über die Verlagerung entscheiden kann? Einfach nur absurd wie so jemand eine derartig wichtige Entscheidung einfach dem Zufall überlassen kann."
> Entscheidung: Die Entscheidung selbst wird auch kritisiert: "Kein Auto, kein ÖPNV. Heidelberg wird zur Stadt der Nichtmobilität ... und die Stadt soll eine Stadt der Zukunft sein?", lautet eine Meinung. "Wohin jetzt? Sind keine Amigelände frei?", "In der Bahnstadt ist doch genug Platz ... was für eine Zeit und Geldverschwendung" zwei weitere. Den Standort beizubehalten bringt dieser Leser ins Spiel: "Es könnten die alten Pläne zur Sanierung und mögliche Erweiterung des jetzigen Standortes in Bergheim wieder herausgeholt werden."
Wie auch immer: Ein Nutzer fasst zusammen: "Heidelberg ist unglaublich ..."