Seit 4 Uhr morgens vor dem Werkstor: Petra Gottfried (r.). Foto: jul
Heidelberg. (jul) "Wie viele Stunden hättest du heute gearbeitet?", will Petra Gottfried von dem Mann wissen, der nun an der Reihe ist. Neben dem Werktor des Betriebshofs hat sie auf einem Biertisch einen Ordner aufgeschlagen und trägt ein: Stundenzahl, Wochentag, Kinder. "Streikunterstützung – Auszahlungsformular" steht auf dem Blatt. Petra Gottfried sorgt dafür, dass ihre Kolleginnen und Kollegen der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV), die Mitglied der Gewerkschaft Verdi sind, Streikgeld erhalten – für den Verdienstausfall, der ihnen durch den Arbeitskampf am Dienstag entsteht.
Gottfried ist seit 4 Uhr in der Frühe vor Ort, um alles vorzubereiten, sie ist mit dem Auto aus Nussloch gekommen. Dabei erhält sie selbst kein Streikgeld: Denn sie hat gerade Urlaub, wie sie erzählt. Trotzdem macht sie mit. "Unser Ziel sind gute Verhandlungen", erklärt sie. "Und hier stehen wir, um auf unsere Anliegen aufmerksam zu machen. Wir fordern eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen." Die Gewerkschaft tritt dafür ein, dass die monatlichen Bezüge der Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr steigen: um 4,8 Prozent.
Um 8 Uhr, als die Aktion offiziell beginnt, ist der Stand aufgebaut, die Straße abgesperrt, Plakate sind aufgehängt. "Wir sind es wert", ist darauf zu lesen. "Hi, Manfred", begrüßt Gottfried den Nächsten, der an ihren Stand kommt. Das Büro, in dem sie normalerweise arbeitet, liegt auf dem Betriebshofgelände, gleich hinter dem Werkstor. Sie kennt fast alle Anwesenden, die sich an diesem grauen Herbstmorgen an der Ecke Karl-Metz-Straße/Bergheimer Straße versammelt haben.
Es sind überwiegend Männer, die auf beiden Seiten der Straße in Gruppen zusammenstehen: Sie arbeiten in der Werkstatt oder als Fahrer. Manche tragen Warnwesten und schwenken Fahnen mit dem roten Verdi-Logo. Es gibt Kaffee und Brezeln, aus den Boxen erklingt "Pocahontas" von AnnenMayKantereit. Später findet auch eine Ansprache statt. "Was für diese Gesellschaft unverzichtbar ist, gehört ordentlich vergütet", fordert ein Mann mit Mikrofon.
Streik bei Bus & Bahn Rhein-Neckar - die FotogalerieSeit 35 Jahren arbeitet Petra Gottfried für die RNV, genauso lange ist sie Mitglied der Gewerkschaft. Anfangs verkaufte sie Fahrscheine auf dem Bismarckplatz, später war sie im Büro tätig, heute ist sie Assistenz des Betriebsrats. Wird jemand neu eingestellt, wirbt sie dafür, Verdi-Mitglied zu werden. "Man muss eine Gemeinschaft sein, um etwas zu bewegen", ist sie überzeugt. Die Gewerkschaften verhandelten für die Mitarbeiter, sie sorgten im Bedarfsfall für Rechtsbeistand. Drei von vier RNV-Mitarbeitern seien in der Gewerkschaft, erzählt sie. Ginge es nach ihr, wären es noch mehr.
Um 10 Uhr hat Gottfried rund 100 ihrer Kollegen als streikende Gewerkschaftsmitglieder erfasst – von insgesamt rund 400 RNV-Mitarbeitern am Standort Heidelberg. Der Arbeitskampf, der unter der Nummer 0606720 läuft, soll nun im Stillen weitergehen.