Die Anzeige an der Haltestelle "Hauptbahnhof" in Heidelberg informierte darüber, dass nicht mehr ging. Foto: RNZ
Von Denis Schnur
Heidelberg. "Streik, Strike, Grev" - auf Deutsch, Englisch und Türkisch weisen die elektronischen Anzeigen an der Straßenbahnhaltestelle am Heidelberger Hauptbahnhof darauf hin, dass weder Busse noch Bahnen fahren. Trotzdem standen dort am Mittwochmorgen immer zwischen zehn und 30 Menschen und warten. Mit jeder ankommenden S-Bahn kommen neue hinzu. Entweder weil sie vom Streik nichts mitbekommen haben. Oder weil die Hoffnung nun mal zuletzt stirbt: "Vielleicht kommt ja doch ein Bus", sagt ein junger Mann mit Kapuze auf dem Kopf und starrt auf sein Smartphone.
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Doch er wartet vergebens: Kein einziger Bus und keine einzige Straßenbahn der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) sind am Mittwoch gefahren, wie Konzern-Sprecherin Susann Becker bestätigt: "Wir haben im Haus eine hohe Streikbereitschaft und nehmen heute auch keine Arbeitsleistung an." Entsprechend bleiben nicht nur die Führerstände leer, sämtliche Mobilitätszentralen sind den ganzen Tag über geschlossen - und auch an den Haltestellen ist kein Personal vor Ort, um die Fahrgäste über den Streik zu informieren.
Bilder vom Streik in der RegionDeshalb dauert es oft eine Weile, bis die Menschen am Hauptbahnhof verstehen, dass sie umsonst warten. Nicht wenige ärgern sich lautstark darüber, die meisten bleiben jedoch gelassen. "Wie, da kommt keine Bahn?", fragt eine Mutter ungläubig. Sie hat um 8.15 Uhr mit ihrer Tochter einen Termin in der Kinderklinik, ist dafür extra am Morgen aus der Nähe von Tübingen angereist. Jetzt ist es 8.05 Uhr. "Tut mir leid, wir müssen sofort zum Taxistand", entschuldigt sie sich - und eilt davon.
Dort ist den ganzen Vormittag über viel los. Kein Taxi steht länger als eine Minute, bevor wieder Fahrgäste einsteigen. "Hier ist die Hölle los", sagt ein Fahrer noch schnell, bevor er wieder losfährt. Gerade ältere und vielbepackte Menschen greifen auf die Mietwagen zurück, der Rest vor allem auf ihre eigenen Beine. "Dann gehen wir eben zu Fuß", lacht ein Student, der mit Kommilitonen gerade unterwegs vom Bahnhof in Richtung Neuenheimer Feld ist. "Bei dem schönen Wetter ist das doch nett." So wie er machen es viele: Alle paar Minuten wandert eine Menschentraube in Richtung Campus, und auch der junge Mann mit Smartphone und Kapuze spaziert irgendwann langsam los.
Und doch ist auf der Ernst-Walz-Brücke Richtung Neuenheim nicht übertrieben viel Verkehr. Das liegt auch an den Semesterferien: Viele Studenten sind zur Zeit einfach nicht in der Stadt. Zudem haben sich viele Menschen auf den Streik eingestellt: "Ich habe in der RNZ davon gelesen", erklärt eine junge Frau, die unterwegs zur Arbeit in der Klinik ist, "und einfach mein Fahrrad mit in die S-Bahn genommen. Das mache ich im Sommer eh oft".
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Andere sind dagegen auf das Auto umgestiegen. Gerade der Berufsverkehr läuft deshalb etwas schleppender, als er es in Heidelberg ohnehin tut. "Die Pendler brauchten mehr Geduld, aber das absolute Verkehrschaos ist nicht ausgebrochen", erklärt Polizeisprecher Michael Klump. Ein Blick auf die wichtigen Zufahrtsstraßen am Morgen gibt ihm Recht: In Speyerer, Mittermaier und Schlierbacher Landstraße läuft der Verkehr zäh - aber er läuft.
Ganz anders der öffentliche Nahverkehr in der Innenstadt: Am Vormittag sind die Straßenbahnhaltestellen am Bismarckplatz so gut wie menschenleer, so sieht man sie am helllichten Tag eigentlich nie. Lediglich an einer Bushaltestelle warten potenzielle Fahrgäste. Einerseits weil hier die Linien der Busverkehr Rhein-Neckar GmbH (die mit den 700er-Nummern) halten - das Unternehmen wird nicht bestreikt -, andererseits weil hier eine Anzeige fälschlicherweise verspricht, dass auch RNV-Busse kommen. "9.34 Uhr: Bus 32", heißt es dort. Um Punkt 9.34 Uhr verschwindet der Eintrag - der 32er kam natürlich nicht.