„Wir teilen die gleichen Erfahrungen“: Carola Kasimir und Raphael Wankelmuth. Foto: zg
Von Florian Richter
Heidelberg. Gehört zu werden, die eigenen Sorgen und Ängste mit anderen zu teilen – etwas, das vielen in der Isolation durch den Lockdown fehlt. Um dem entgegenzuwirken, rief das Studierendenwerk Heidelberg Anfang Februar die Initiative "Referat gegen Einsamkeit" ins Leben. Die beiden Studierenden Carola Kasimir und Raphael Wankelmuth stehen Kommilitoninnen und Kommilitonen hierbei als Ansprechpartner zur Verfügung. "Allein, dass es uns gibt, kann helfen", sagt der 22-jährige Sozialwissenschaftsstudent Wankelmuth.
Auch wenn sich das Projekt erst in der Pilotphase befindet, wird es von den Studierenden mit Begeisterung aufgenommen. "Viele sagen: ‚Endlich gibt es so etwas‘", berichtet Kasimir. Auch Wankelmuth ist überzeugt: "Wir treffen damit einen Nerv." Denn viele Studierende leiden unter Einsamkeit. So mangelt es nicht nur an Austausch unter Kommilitoninnen wie durch Lerngruppen. Für die meisten fällt zudem der Nebenjob weg, einige geraten dadurch in finanzielle Not. Daneben gehört mangelnde räumliche Distanz zwischen Freizeit und Arbeit zu den Herausforderungen, mit denen Studierende zu kämpfen haben. So ist plötzlich das eigene WG-Zimmer privater Rückzugsort und Hörsaal zugleich. Abstand von Uni-Sorgen zu gewinnen – unter diesen Bedingungen so gut wie unmöglich. Häufig bedeutet das eine große Belastung für Studierende.
"Diese Ängste und Zweifel können sich auf ganz verschiedene Weise äußern: Zum einen auf mentaler Ebene durch depressive Verstimmungen oder Lernblockaden, zum anderen auf körperlicher Ebene, wie beispielsweise durch Schlafstörungen", berichtet Kasimir. Betroffene seien sich häufig der Wirkung dieser Isolation gar nicht bewusst und suchten die Ursachen woanders. "Wenn der Lockdown immer mitschwingt, merkt man nicht mehr, dass es eigentlich daran liegt", sagt Wankelmuth.
Im Gegensatz zur Psychosozialen Beratung für Studierende der Universität Heidelberg oder anderen ähnlichen Einrichtungen biete dieses Projekt die Möglichkeit, sich persönlich und auf Augenhöhe auszutauschen. "Wir sehen uns als Freunde", erklärt die 27-jährige Germanistikstudentin. Sie seien also keine Übermenschen: "Wir teilen die gleichen Erfahrungen und haben das gleiche Umfeld." Vielen falle es daher leichter, sich an die beiden zu wenden. Darüber hinaus könne man hier sehr viel flexibler agieren. So würden nicht nur Gespräche via Telefon oder Online-Meetings angeboten, sondern auch Spaziergänge oder digitale Kaffeetreffen. Letzteres soll ab März starten. Gerade deshalb sei diese Initiative auch so spannend: "Unsere Aufgabe ist vor allem, da zu sein", so Wankelmuth.
Ob es Tipps gegen negative Gedanken und Gefühle gibt? "Wichtig ist vor allem, dem Tag eine feste Zeitstruktur zu geben und für sich ein freies Wochenende zu etablieren", erklärt der 22-Jährige. Sport könne dazu einen wichtigen Teil beitragen. Kasimir plädiert für ähnliche Tricks: "Es hilft sehr, sich jeden Tag bewusst Anker zu setzen, auf die man sich freut."
Bislang ist das Projekt auf drei Monate begrenzt. Ob das "Referat gegen Einsamkeit" diese Phase überdauern wird, ist noch unklar. Wankelmuth betont: "Das Schönste wäre, wenn wir überflüssig würden."
Info: Jeweils ein Referent ist montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr und in Notfällen am Wochenende erreichbar, Carolin Kasimir unter 0172 / 3682696, Raphael Wankelmuth unter 0172 / 3702059. Unter discord.com/invite/8yPJhaG (Name: "Referat-gegen-Einsamkeit") finden zudem digitale Meetings statt.