Was junge Heidelberger Sozialdemokraten ihrer Partei raten
Johannah Illgner und Sören Michelsburg ziehen erstmals in den Gemeinderat ein - Soziale Medien, aber auch "Klinkenputzen", sollen für die jungen Leute wieder für die SPD begeistern

Von Micha Hörnle
Heidelberg. Die Lage für die SPD mag dramatisch sein, aber die beiden sozialdemokratischen Jung-Stadträte Johannah Illgner (32) und Sören Michelsburg (30) klangen relativ gelassen, als die RNZ sie nach dem Zustand ihrer Partei fragte. Denn an den Werten der SPD zweifeln die beiden, die sich schon lange kommunalpolitisch betätigen - beide im Bezirksbeirat (sie bis 2016 in Bergheim, er für Handschuhsheim) - so gar nicht: "Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit", zählt Michelsburg auf. Das wahlgewinnende Thema "Klimaschutz" subsumiert er unter "Solidarität" - und zwar die mit den zukünftigen Generationen.
Viele der sozialen Anliegen seiner Partei, zum Beispiel der Schutz von prekär Beschäftigten, erreichten die jungen Leute nicht: "Wer heute einen Schulabschluss macht, kann sich sicher sein, einen Job zu bekommen. Da interessieren heute eher die Qualität dieser Berufe, die Frage, welche öffentlichen Güter privatisiert werden sollen - oder wie man an eine bezahlbare Wohnung kommt." Seine baldige Ratskollegin Illgner teilt die Leidenschaft für die Gerechtigkeit, gibt aber auch zu, dass man damit große Teile der Wähler nicht mehr erreicht: "Wir haben ein Vermittlungsproblem. Und wenn dazu ein Dauerstreit über das Spitzenpersonal kommt, endet das in keiner guten Gesamtsituation."
Und wie wollen die beiden das "Vermittlungsproblem" lösen? Beide konstatieren, dass die Partei erhebliche Defizite bei den Sozialen Medien hat, die vor allem den jungen Wählern als Entscheidungshilfe dienen. Das gilt, zumindest in Teilen, auch für sie persönlich: Während Illgner mit Facebook, Instagram und Twitter - und sogar mit einer eigenen Homepage - so ziemlich alle verfügbaren Kanäle bespielt, nutzt Michelsburg am häufigsten Instagram ("Das sehen viele"), weniger Facebook, vom Twittern hält er bisher nichts: "Das hat im Kommunalen eher wenig Nutzen." Auf der Videoplattform Youtube sind beide nicht präsent, aber immerhin stellte sich jeder SPD-Gemeinderatskandidat auf der SPD-Homepage mit einem eigenen Video vor, das aber, auch aus Datenschutzgründen, nicht auf Youtube hochgeladen wurde. Immerhin plant zumindest Michelsburg, wenn er erst einmal Stadtrat ist, "eine wöchentliche oder wenigstens monatliche Videobotschaft" über seine Arbeit. Sein Hauptthema wird ganz klassisch der Verkehr sein, ihren Schwerpunkt sieht Illgner in der Sichtbarmachung der gesellschaftlichen Vielfalt - mit Schwerpunkt auf Frauen. Und doch ist dem Gymnasiallehrer eine ganz andere Art von Kommunikation fast wichtiger, das altmodische Klinkenputzen. "Wir haben als SPD-Ortsverbände bei der letzten Kommunalwahl nicht so viel verloren, wenn man einen aktiven Wahlkampf gemacht hat." So besuchte er allein in Handschuhsheim mit seinen Genossen rund 3000 Haushalte - und in diesem Stadtteil waren die Verluste mit 1,8 Prozent nur halb so hoch wie im gesamtstädtischen Durchschnitt. Sein Fazit: "Man kann nicht alles online machen. Im persönlichen Kontakt können wir gut aufzeigen, wofür wir stehen und was wir erreichen wollen."
Illgner stimmt ihm da grundsätzlich zu, sagt aber auch: "Eine kanal- und medienübergreifende Strategie ist sehr wichtig, die Grünen machen das schon länger", so die Kommunikationsberaterin. Und sie empfiehlt, auch mal sperrige Themen mit einem locker-leichten Video unterhaltsam zu platzieren. Das treffe auch eher den Nerv der jüngeren Generation - die beide wieder für die Sozialdemokratie gewinnen wollen. Michelsburg empfiehlt eine thematische Öffnung ("Nicht nur Rentnerpartei sein"), während Illgner auch dafür plädiert, die oft zu starren Parteihierarchien für junge Menschen offener zu machen: "Ich würde begrüßen, wenn diese Generation mehr Einfluss hätte. Da sehe ich eine große Chance, die Dinge durch andere Erfahrungen und Kontakte und nicht zuletzt Sprache anders zu machen als heute."
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In der Gretchenfrage "Große Koalition" sind sich beide einig: möglichst schnell raus. Michelsburg plädiert dafür, die für den Dezember geplante "GroKo"-Bilanz auf den Sommer vorzuziehen, doch sein Urteil lautet jetzt schon: "Nach Stand der Dinge sehe ich für sie keine Zukunft mehr." Illgner, die noch nie eine "GroKo"-Freundin war, sagt aber auch: "Ich glaube nicht, dass das zeitlich so schnell geht."