Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Keine zwei Wochen war Justus P. (Name geändert) aus dem Gefängnis entlassen, schon schlug der 23-Jährige erneut zu. Nach einer zweijährigen Jugendstrafe brach er in eine Schule ein und stahl Geld und Wertsachen. Das ist allerdings nur einer der zehn Anklagepunkte, für die er sich am Dienstag vor dem Amtsgericht verantworten musste. Was der Staatsanwalt im Stakkato vortrug, klang wie das ABC des Strafgesetzbuchs: Bedrohung, Beleidigung, Computerbetrug, Diebstahl mit Waffen, Führen einer Waffe, gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Sachbeschädigung. Es ist fast ein Anklagepunkt pro Monat in Freiheit: Im Juni 2019 wurde er aus dem Gefängnis entlassen, im Juli 2020 kam er wieder hinein – in Untersuchungshaft. Und Justus P. muss dort bleiben: Richterin Walburga Englert-Biedert verurteilte ihn zu einer Haftstrafe von drei Jahren.
Es war eine Beweisaufnahme im Schweinsgalopp: Nachdem P.’s Verteidiger bereits angekündigt hatte, dass sein Mandant sich hinsichtlich sieben von zehn Anklagepunkten geständig zeigen würde, mussten nur wenige Zeugen vernommen werden. Zu seinen persönlichen Verhältnissen sagte der Angeklagte nichts. Nur so viel wurde während des Prozesses klar: Justus P. hat viel Drogenerfahrung: "Sie haben also alles getan, um sich die Birne wegzukoksen – das ist Ihre Einlassung", fasste Richterin Englert-Biedert zusammen. Zu seinem Vater, bei dem er kurze Zeit nach der Haftentlassung gewohnt hatte, hat Justus P. kaum noch Kontakt, zu seinen beiden Geschwistern überhaupt keinen mehr. Von der Mutter war nur die Rede, als es um die Änderung seines Nachnamens ging.
Besonders ins Gewicht fiel bei den verhängten Strafen der Einbruch in die Schule. Hier hatte Justus P. nämlich ein Cuttermesser dabei. "Das ist eine hohe abstrakte Gefährdung", so Richterin Englert-Biedert. "Man kann nie wissen, ob da noch der Hausmeister um die Ecke kommt oder ein Lehrer etwas vergessen hat." Deshalb habe der Gesetzgeber hier auch einen Grund zur Strafverschärfung vorgesehen.
Bei den Körperverletzungsdelikten habe Justus P. außerdem unter Beweis gestellt, dass er sich auch Unbekannten gegenüber nicht im Griff habe. Einmal schlug er einen jungen Mann, mit dem er einen gemeinsamen Bekannten hat. Dann schlug er zu, nachdem er ein Handy geklaut hatte und nochmals bei einer anderen Gelegenheit. "Was treibt Sie dazu?", fragte Englert-Biedert. "Da kann man nur sagen: Geht’s noch?"
Auch seine damalige Freundin hat Justus P. geschlagen, als er vermutete, sie würde fremdgehen. Darüber hinaus hat er ihr ihre EC-Karte genommen und ohne ihr Einverständnis 350 Euro abgehoben. Irgendwann schickte er ihr sogar ein Video von sich, in dem er mit einem Butterfly-Messer hantiert und ihr droht, sie umzubringen.
Auch mit der Polizei geriet Justus P. aneinander. Als die Beamten ihn festnahmen, drohte er ihnen ebenfalls, sie umzubringen, und beleidigte sie. "Wir kriegen viel Kritik dafür, dass wir damit zu lasch umgehen würden", sagte Richterin Englert-Biedert. Es schlage sich in der Statistik nieder, dass den Beamten heute weniger Respekt entgegengebracht werde als früher. "Und das ist wieder so ein Mosaiksteinchen, das sich da nahtlos einfügt", sagte die Richterin.
Der einzige Anklagepunkt, der Justus P. nicht nachgewiesen werden konnte, war die "Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige". Er soll einem 16-Jährigen einen Joint gegeben haben, doch der kündigte noch vor der Zeugenbelehrung an: "Ich sage nichts!" Weil gegen ihn in Mannheim ein Verfahren zu der Sache läuft, konnte er sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen – was Englert-Biedert ihm erst einmal in Ruhe erklärte. Schon zuvor hatte ein anderer Zeuge aus dem gleichen Grund nicht ausgesagt. Zwei weitere – einer von ihnen unentschuldigt – waren gar nicht erst aufgetaucht.
Englert-Biedert nutzte die Urteilsbegründung noch dazu, dem Angeklagten ins Gewissen zu reden, er solle sich von dem schädlichen Einfluss von Drogen und falschen Freunden freimachen. Der Angeklagte jedenfalls verzichtete danach auf Rechtsmittel und nahm das Urteil an.