Von Matthias Kehl
Heidelberg/Newport Beach. Zwischen Heidelberg und Hollywood liegen mehr als 9300 Kilometer Luftlinie. Der Stadtteil von Los Angeles gilt als Traumfabrik der Filmindustrie und als Sehnsuchtsort. Eine gute Autostunde entfernt lebt im kalifornischen Newport Beach Paul Ripke mit seiner Familie. Der aus Heidelberg stammende Fotograf und Videoproduzent, mittlerweile auch Podcaster und Modemacher, hat dort seine ganz eigene Traumfabrik aufgebaut.
Ripke, der am heutigen Mittwoch 40 Jahre alt wird, ist keiner, der lange fackelt. Er lebt den Moment. So wurde der bärtige Kurpfälzer nicht nur für Fußballdeutschland in der Triumph-Nacht von Brasilien 2014 populär, als er seine Chance ergriff, in den Flieger stieg und in Rio de Janeiro hautnah die emotionalsten Momente der Nationalmannschaft festhielt. Als einziger vom DFB genehmigter Fotograf, ohne offizielle Akkreditierung. Er war mittendrin im Siegesrausch und knipste und knipste und knipste.
Nah dran sein, an den Menschen, an ihren Emotionen, im richtigen Moment. Das macht Ripkes Stil aus. So hat er als Fotograf die ganz Großen von seiner Arbeit überzeugt und in Szene gesetzt: Die Toten Hosen, Marteria, Jürgen Klopp, Niki Lauda, Dirk Nowitzki und später auch George Clooney.
Schnell und direkt ist Ripke auch im persönlichen Umgang. Keine zehn Minuten, nachdem ihn die RNZ zum Gespräch anfragt, kommt die Zusage aus Newport Beach. 80 Meter entfernt vom Strand am Pazifik liegt das Haus der Ripkes am Coast Highway Number One. Als der Videoanruf zur vereinbarten Zeit startet, macht sich der dreifache Vater gerade einen Espresso. Es ist früh am Morgen und ausnahmsweise neblig im Orange County. Das Business hat der umtriebige Ripke dennoch klar im Blick. Per Fernschalte mit Moderator Joko Winterscheidt stehen noch Absprachen für die Aufnahme der Podcast-Reihe "Alle Wege führen nach Ruhm" an. Das Dach seines Büro-Club-Hauses muss repariert, das tägliche Ripke-Briefing eingesprochen und der Vertrieb seiner Mode-Linie "Pari" organisiert werden.
Paul Ripke mit Podcast-Partner Joachim "Joko" Winterscheidt (l.). Foto: AWFNRRipkes Firma ist in Heidelberg gemeldet – in seinem Elternhaus. Das fern des Glamours von Los Angeles am Neckar in der Mönchhofstraße Neuenheims steht. Zwei seiner Mitarbeiter koordinieren hinter den hellen verputzen Hausfassaden die Geschäfte. Dort ist Ripke als mittleres Kind eines Allgemeinmediziners und einer Rechtsanwältin aufgewachsen. "Heidelberg hat mich geprägt", sagt er. Er spielte beim Hockey-Club Heidelberg in Kirchheim, wurde durch die Hip-Hop-Kultur sozialisiert. Mit Heidelbergs Rap-Ikone Torch saß er zusammen am Frühstückstisch, als er mit 15 Jahren der feste Freund von dessen kleiner Schwester war.
Der junge Paul galt zu Schulzeiten nicht als pflegeleicht. Graffiti und Gras sorgten für Unmut am Bunsen-Gymnasium, das ihm damals nahe legte, die Schule zu wechseln. Ripke ging ans Englische Institut, wo er Abitur machte, ehe es ihn zum BWL-Studium nach Hamburg zog.
Damals nahm Ripke sein Schicksal in die Hand: Mit 20 gründete er seine eigene Firma, wurde mit 24 zum ersten Mal Vater. Die Frau an seiner Seite, Theresa Ripke, Ernährungs- und Familienberaterin, stammt wie er aus Heidelberg.
Regelmäßig kehrt Ripke nach wie vor am Neckar ein. Zuletzt im Oktober, als er unfreiwillig für ein in Corona-Zeiten problematisches Massen-Event sorgte: "Als ich erzählte, mit dem Radsportverein Heidelberg eine kleine Tour zu machen, waren auf einmal über 180 Leute mit dabei." Die Polizei fand das weniger lustig, verwarnte die Freiluftsportler. Ripke entschuldigte sich. Auf seine direkte Art, die authentisch wirkt.
Ripke lässt sich auf Menschen ein. Zu vielen Stars, die er fotografiert, entwickelt er auch deshalb freundschaftliche Beziehungen. Rapper Marteria, der Ripkes Namen tätowiert auf der Haut trägt (und umgekehrt), führte er in der Vergangenheit ebenso schon durch Heidelberg wie Sänger Campino und Podcast-Kumpel Joko Winterscheidt. Mit Winterscheidt zog er noch 2019 durch die Kneipen der Unteren Straße. Lebemann Ripke - in seinem Element.
Abschalten in der Natur: Paul Ripke bekommt auf dem Rad gut den Kopf frei: Foto: PRDem amerikanischen Lifestyle entsprechend, liebt Ripke die Geschwindigkeit bei neuen Projekten. Spürt er nicht mehr die volle Leidenschaft, beendet er Dinge wieder. So hörte er 2019 auf, für die Formel 1 zu fotografieren - bevor Corona die Branche ausbremste. "Timing und Glück", nennt Ripke die entscheidenden Faktoren seines beruflichen Erfolgs. "Auch heute gehen noch acht von zehn Projekten schief", verrät er und betont: "Am Ende bleibt das hängen, was man geschafft hat."
In Kalifornien sucht der umtriebige Kurpfälzer auch die Entschleunigung. Wenn er mit dem Mountainbike durch die Landschaft cruist oder campen geht. Corona bremst gerade auch den reiselustigen Ripke. Der mit seiner Familie den Rückzugsort am Pazifik zu schätzen weiß. Abgesehen davon mag Ripke die kontaktfreudige Art der Amerikaner. Seine "Hometown" sorgt in Kalifornien immer wieder für Gesprächsstoff. "Heidelberg kennt hier fast jeder", sagt er. Über die Entwicklungen am Neckar hält er sich stets auf dem Laufenden. "Die Stadt hat sich in den letzten Jahren krass entwickelt, ist super hip geworden", findet Ripke, der in Amerika hin und wieder das auf Englisch schwierige Wort "Kurpfalz" erklären muss.
Der Netzwerker aus Neuenheim, dem auf Instagram über eine halbe Million Menschen folgen, nennt seinen Job "Geschichtenerzähler". Wie seine eigene Story weitergeht? Langfristige Pläne macht Ripke grundsätzlich nicht, verrät aber: "Wenn wir Amerika verlassen, möchte ich wieder nach Heidelberg." Der "kleine Paul vom Bunsen-Gymnasium", sagt Ripke demütig, habe nicht zu träumen gewagt, da hinzugelangen, wo er heute sei. Dort, wo er in Newport Beach in der eigenen Traumfabrik am Hebel sitzt.