Von Birgit Sommer
Heidelberg. Klimawandel und die erforderlichen Zukunftsstrategien - das wird auch in Schulen gelehrt. In der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ist Prof. Alexander Siegmund für die entsprechende Ausbildung der Lehrer und die Bildungsprojekte mit Schülern verantwortlich. Er leitet die Abteilung Geographie und ist Inhaber des einzigen Unesco-Lehrstuhls in Baden-Württemberg. Dessen offizieller Titel: Lehrstuhl für Erdbeobachtung und Geokommunikation von Welterbestätten und Biosphärenreservaten.
Herr Professor Siegmund, Sie machen lauter spannende Sachen für und mit Schülern. Seit wann hat sich die Geographie so explizit Umweltthemen wie dem Klimaschutz verschrieben?
(lacht) Die "Briefträger-Geographie" - was ist wo - gibt es so schon längst nicht mehr. Seit den Achtzigerjahren kommen Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen immer mehr auf. Oder gesellschaftlich relevante Fragen, die einen räumlichen Bezug haben.
Auch wenn ein heißer Sommer wie unserer noch keinen Klimawandel macht - Sie sagen, die Phänomene häufen sich?
Mit solchen länger anhaltenden Trockenphasen wie in diesem Sommer müssen wir in Mitteleuropa vermehrt rechnen, ebenso mit Starkniederschlägen und Wärmephasen im Winter. Der Klimawandel ist in vollem Gange. Aber für Jugendliche ist das wenig greifbar. Sie vermuten den Klimawandel oft in Afrika. Man muss ihnen deutlich machen, dass es sich beim Zwei-Grad-Ziel der internationalen Klimapolitik für die Erwärmung bis zum Jahr 2100 um einen Mittelwert handelt - Klimawandel wird aber vor allem bei den zunehmenden Extremen sichtbar.
Was lernen die Kinder da? Bekommen sie dann Angst vor der Zukunft?
Das wollen wir nicht. In unseren Projekten in der Abteilung Geographie an der Pädagogischen Hochschule wollen wir ihnen zeigen, wie man die Probleme der Zukunft nachhaltig angehen kann. Wir machen den Klimawandel begreifbar, indem wir auf das Land, in die Wälder und die Städte hinausgehen.
Alexander Siegmund. Foto: studio visuell
Wie zeigen Sie das?
Wir gehen zum Beispiel in den Heidelberger Wald und schauen, welche Baumarten es bei den großen Bäumen und bei den kleinen gibt. Die alten sind zum Beispiel eher Fichten, die jungen mehr Douglasien. Dann untersuchen wir Baumringe und sehen, dass die Fichte im Jahr 2003, als ein ähnlich trockener Sommer wie in diesem Jahr herrschte, fast keinen Zuwachs hatte. Der Douglasie machte der Wassermangel weniger aus. Im dritten Schritt suchen wir in Modellen und Experimenten Systemzusammenhänge. Fichten sind windanfällig, aber Douglasien wachsen auch nicht an jedem Standort. Zudem sind sie erst vor 300 Jahren aus Nordamerika zu uns gekommen. Sie sind also ein ökologischer Fremdling. Wir diskutieren dann, ob der Förster die Fichten durch Douglasien ersetzen soll.
Beim Projekt "Klimawandel findet Stadt" geht es auch um Anpassungsstrategien für Heidelberg.
Auch die Grünflächen in der Stadt unterliegen dem Klimawandel. In Städten ist es eh schon heißer, und der Hitzestress ist groß. Die Blüh- und Wachstumsphasen haben sich in den letzten 60 Jahren verlagert, die Pflanzen sind drei Wochen früher dran. Alle Klimamodelle sagen, es geht noch weiter. Wenn der CO2-Ausstoß so weiter geht wie bisher, ist das Zwei-Grad-Ziel der Erwärmung bis zur Jahrhundertwende nicht zu halten. Wenn man bedenkt: Drei bis vier Grad - das ist fast der Unterschied zwischen Norwegen und Norditalien. Gegen die CO2-Emissionen müssen wir also deutlich mehr tun.
Was kann Heidelberg tun, um den Klimawandel abzufedern?
Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Grünflächenamt zusammen und fragen, welches Straßenbegleitgrün man in Zukunft anpflanzen sollte: Trockenheit liebende, hitzeresistente Pflanzen, die man nicht zusätzlich wässern muss. Das können zum Teil aber keine einheimischen Arten mehr sein. Was wir unseren Schülern beibringen, sind aber nicht Lösungen - wir wollen sie in die Lage versetzen, selbst nachhaltige Lösungen und Kompromisse zu finden. Wir diskutieren über ökologische Tragfähigkeit, soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit - ganz im Sinne der Ziele unseres Unesco-Lehrstuhls.
Ihr Projekt "KlimAzubi" wurde im Juni im Bundesumweltministerium ausgezeichnet. Worum geht es da?
Auch Firmen wie ABB, Heidelberg Cement oder Rewe leiden unter dem Klimawandel. Wir wollen die Azubis als spätere Entscheidungsträger sensibilisieren, unter welchen Bedingungen die Mitarbeiter arbeiten, wie es mit der Logistik aussieht, wenn Schiffe wegen Hoch- oder Niedrigwasser nichts transportieren können, oder welchen Einfluss der Klimawandel auf die Vermarktung regionaler Produkte aus der Landwirtschaft haben kann. Die Azubis lassen ihrer Kreativität da freien Lauf und machen sich etwa Gedanken um das Thema Hitzestress und Schutzkleidung.
Und was bringen Sie Grundschulkindern zum Thema erneuerbare Energie bei?
Wir zeigen, dass in der Natur viel Energie steckt, in Sonne, Wind und Wasser. Und wir schauen, wie man sich das nutzbar machen kann, probieren etwa aus, ob ein Windrad mit drei schlanken Flügeln tatsächlich den besten Wirkungsgrad hat. Das Besondere ist, dass ältere Schüler mit ihrem Lehrer einen Tag lang in eine Kita oder Grundschule gehen und den Kindern dort das Thema nahebringen.
Sie haben sicher noch ganz neue Forschungsideen?
Wir wollen in der Bildung den Bereich Klimaanpassung mit dem Thema Digitalisierung verknüpfen. Das wird von Bund und Land gefördert. In einem interaktiven Lernspiel sehen die Schüler dann, wie Landwirtschaft und Forst auf den Klimawandel reagieren und sehen auch die Folgen ihrer Entscheidungen. Dieses Spiel soll es in ganz Deutschland geben. Und Anfang September reise ich mit Ministerpräsident Kretschmann und OB Würzner zu einer Klimakonferenz nach San Francisco, um dort unsere digitalen Lernspielideen vorzustellen.
Zur "Nacht der Wissenschaft" am 28. September laden Sie auch in Ihre Räume der Abteilung Geographie im Czernyring ein.
Da geht es genau um das Thema Klimawandel und Klimaanpassung. Es gibt Vorträge zu Extremereignissen im Klimawandel und zur Energiewende sowie Modelle, mit denen man Hochwasserereignisse oder den Einfluss von Bodenversiegelung simulieren kann.