Übernachten und lautes Herumgegröle nach 22 Uhr sind auf der Neckarwiese verboten – wie im gesamten Stadtgebiet. Wenn sich aber junge Leute, wie hier im Sommer 2020, dort einfach nur treffen, ist das kein Problem. Foto: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Sie regelt das Verhalten in Parks und auf öffentlichen Plätzen, die Nachtruhe, den Leinenzwang für Hunde und verbietet organisiertes Betteln und andere "Belästigungen der Allgemeinheit". Doch die Polizeiverordnung der Stadt Heidelberg ist in die Jahre gekommen, die letzte Fassung trat am 8. März 2001 in Kraft. Da sie laut Polizeigesetz automatisch nach 20 Jahren ausläuft, soll der Gemeinderat am 18. März eine Neufassung beschließen.
Die neue Verordnung hat nun nicht mehr acht, sondern elf Seiten. Die Bestimmungen zu unzulässigem Lärm und dem Schutz der Nachtruhe wurden als weitreichendste Änderung zusammengefasst. Als sich jetzt der Haupt- und Finanzausschuss mit dem Thema auseinandersetzte, gab es aber doch noch Diskussionsbedarf. SPD-Stadtrat Mathias Michalski setzte sich im Auftrag seiner Fraktion für eine Änderung des Lärmparagrafen ein: "Wir sollten die Bestimmungen an die geänderten Lebensverhältnisse anpassen."
Anstatt die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr festzusetzen, wie im aktuellen Entwurf zur Verordnung vorgesehen, sollte sie von 23 bis 7 Uhr, am Wochenende bis 8 Uhr gelten. "Das ist selbstverständlich kein Freibrief, um sich in dieser Zeit daneben zu benehmen", so Michalski. Aber viele Menschen säßen doch vor allem im Sommer gerne länger draußen.
Obdachlose können auch mit einer neuen Verordnung nach wie vor geduldet werden und Hunde halten. Foto: RotheAuch Marilena Geugjes (Grüne) sprach einige Punkte an, die in ihren Augen "nicht zum Selbstbild unserer Stadt passen". Vor allem geht es ihr darum, dass nun das Nächtigen auf öffentlichen Plätzen und in Grünanlagen verboten werden soll. "Wir haben die Befürchtung, dass dieses Verbot vor allem Obdachlose trifft", so Geugjes. Auch mit einem zweiten Passus in dieser Verordnung werde diese Bevölkerungsgruppe kriminalisiert – indem das Betteln mit dem Zurschaustellen von Tieren verboten werde.
Geugjes befürchtete, dass den Menschen, die auf der Straße leben, die Hunde weggenommen werden sollen. Dabei seien die Vierbeiner für viele Obdachlose wichtige Begleiter. Ein weiterer Punkt, den die Grünen-Stadträtin als unzeitgemäß empfindet, ist, dass Slacklining in Parks verboten werden soll, da es die Bäume schädige. Bei diesem Sport, bei dem man auf einem breiten Seil zwischen Pfosten oder Bäumen balanciert, könne auch ein Baumschutz eingesetzt werden, so Geugjes.
Ordnungsbürgermeister Wolfgang Erichson verteidigte den Entwurf für die neue Polizeiverordnung und warb dafür, die Nachtruhe doch – wie von der Stadtverwaltung vorgeschlagen und mit dem Polizeipräsidium abgestimmt – von 22 bis 6 Uhr festzusetzen. "Diese Zeiten entsprechen der aktuellen Rechtsprechung", so Erichson.
Das Füttern von Gänsen und Tauben ist wie schon im alten Regelwerk verboten. Archiv-Foto: KresinEr verwies auf den noch aktuellen Rechtsstreit um Lärm in der Altstadt vor dem Verwaltungsgerichtshof: "Es würde bei den Richtern für Unverständnis sorgen, wenn wir in diesem Punkt von der aktuellen Gesetzeslage abweichen." "Niemand sollte befürchten, dass wir durch die neue Polizeiverordnung das Ausgehverhalten reglementieren wollen", sagte auch Bürgeramtsleiter Bernd Köster: "Wenn man nachts nicht herumgrölt, wird die Polizei auch nicht einschreiten."
Prinzipiell gehe es bei der Polizeiverordnung nicht darum, ein bestimmtes Verhalten grundsätzlich zu verbieten, sondern darum, dem kommunalen Ordnungsdienst und der Polizei eine Rechtsgrundlage zu geben, um einzuschreiten, wenn jemand über die Stränge schlägt, betonen sowohl Köster als auch Erichson. Daher habe auch niemand vor, Obdachlosen ihre Hunde wegzunehmen. Und in bestimmten Bereichen werde es auch weiterhin geduldet, wenn sie dort übernachteten.
"Es gilt immer der Grundsatz, dass Ausnahmen zulässig sind", sagte Köster zum Thema Slacklining. Er könne sich auch vorstellen, für diesen Freizeitsport bestimmte Bereiche in Parks auszuweisen. "Die Polizeiverordnung soll kein starres Werk sein. Wir plädieren aber dafür, die klaren Aussagen zu belassen." Auch Oberbürgermeister Eckart Würzner glaubt: "Mit Duldungen zu arbeiten, ist ein probates Mittel."
Nachdem die SPD ihren Antrag zurückgezogen hatte, stimmten die Stadträte bei drei Enthaltungen für den aktuellen Satzungsentwurf. Was den Umgang mit Obdachlosen angeht, versprach Bürgermeister Erichson, das Thema noch einmal gesondert im Ausschuss für Soziales und Chancengleichheit mit Experten zu beraten. Damit sei dieser Bevölkerungsgruppe mehr gedient als mit der Änderung der Polizeiverordnung. Mit diesem Vorschlag waren auch die Grünen einverstanden.