Im März 2018 lief die Veranstaltung einer Partei in der Stadtbücherei aus dem Ruder: Gegendemonstranten protestierten im Foyer. Daher sollen dort nun keine Veranstaltungen mehr mit „politischem Ansatz“ stattfinden. Foto: Rothe
Von Anica Edinger
Heidelberg. Politische Parteien sind tabu: Seit eine Veranstaltung der AfD-Jugendorganisation im März 2018, gegen die viele Gegendemonstranten protestiert hatten, im Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei aus dem Ruder lief, dürfen Parteien keine Veranstaltungen mehr in städtischen Räumen ausrichten. Das ordnete Oberbürgermeister Eckart Würzner damals vorübergehend an – jedenfalls so lange, bis der Gemeinderat die Mietbedingungen neu regelt.
Das soll nun geschehen. Ein Beschluss zur "Vermietung städtischer Räume an politische Parteien" soll am morgigen Donnerstag in der Sitzung des Gemeinderates fallen. In den letzten Monaten diskutierten die Stadträte über die neue Regelung, die das Liegenschaftsamt der Stadt ausarbeitete, hinter verschlossenen Türen. Jetzt werden die Vorschläge der Verwaltung mit den teilweise bereits eingearbeiteten Wünschen der Fraktionen erstmals öffentlich diskutiert. Die RNZ erklärt, was der Gemeinderat konkret beschließen soll.
Wo dürfen Parteien nicht mehr rein? Die Stadtbücherei bleibt tabu für politische Parteien. Mehr noch: "Die Räume der Stadtbücherei sollen für jegliche Veranstaltungen mit politischem Ansatz" nicht mehr zur Verfügung stehen, heißt es in der Vorlage. Als Grund werden die "massiven Störungen des Dienstbetriebs infolge von Ausschreitungen bei politischen Veranstaltungen" genannt. Weiterhin müssen politische Parteien, deren Jugendorganisationen und Wählervereinigungen auf die Musik- und Singschule, das Kurpfälzische Museum, den Palais Graimberg, das Palais Prinz Carl inklusive Gewölbekeller – mit Ausnahme des Spiegelsaals –, das Rathaus, Theater und Orchester und auf zwei Räume des Interkulturellen Zentrums als Veranstaltungsorte verzichten. Ebenso auf die Klingenteichsporthalle, die Erlenweghalle in Rohrbach, das Sportzentrum Nord Halle 1 und 2, das Sportzentrum West in Wieblingen. Bei letzteren sei die Vermietung schon bisher aus sachlichen Gründen nicht möglich – etwa wegen mangelnder Tische.
Wo dürfen Parteien Veranstaltungen ausrichten? Noch 23 städtische Einrichtungen stehen für Veranstaltungen zur Verfügung. Dazu zählen auch die Stadthalle sowie der Spiegelsaal im Prinz Carl, wobei dieser nur für "repräsentative Veranstaltungen", etwa Neujahrsempfänge oder Jubiläen, gemietet werden darf. Veranstaltungen dürfen außerdem in den Bürgerzentren und Bürgersälen in den Stadtteilen, in der Sporthalle Köpfel, den Hallen 1 und 2 des Sportzentrums Süd in Kirchheim und in der Steinbachhalle in Ziegelhausen stattfinden. Dort gilt: gleicher Zugang für alle. Das heißt auch: unabhängig von der politischen Ausrichtung der Partei.
Gibt es Einschränkungen? Die Veranstaltungen müssen von "den Gebietsverbänden oder Jugendorganisationen der Parteien oder Wählervereinigungen auf Orts- oder Kreisebene durchgeführt werden und sich an das regionale Publikum richten". So sollen Landes- und Bundesparteitage, die sich an einen überörtlichen Personenkreis wenden, ausgeschlossen werden. Diese Einschränkungen gelten nicht für die Stadthalle, wo auch überregionale parteipolitische Veranstaltungen stattfinden dürfen.
Wie sieht es mit von der Stadt dauerhaft vermieteten Räumen aus? Räume, die zwar der Stadt gehören, die sie aber vermietet hat, etwa das Deutsch-Amerikanische Institut, der Karlstorbahnhof oder die Halle 02, werden eigens abgehandelt. Laut Vorlage dürfen Mieter einer städtischen Räumlichkeit die Untervermietung erlauben, falls die Stadt sich vertraglich kein Mitbestimmungsrecht vorbehalten hat. Dazu zählen neben den genannten Räumen etwa auch die Volkshochschule, das Kulturfenster, das Dezernat 16 oder auch Gaststätten wie das Literaturcafé in der Stadtbücherei oder der Stadtgarten. Diesen Mietern sei es frei gestellt, wem sie ihre Räume überließen.
Gibt es bereits Kritik? Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes kritisiert in einem offenen Brief mit Unterstützung der Linken und der Antifaschistischen Initiative, dass die Regeln auch "fortschrittliche politische Initiativen und Organisationen, die weniger Möglichkeiten als Parteien haben, öffentliche Räume für Veranstaltungen zu finden", träfen. Sie fordern, "die Stadtbücherei und andere öffentliche Räume auch weiter für politische und gesellschaftliche Diskussionen offenzuhalten".