Messerstecher-Prozess Heidelberg

Immobilienmakler glaubt an Verschwörung

41-Jähriger wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht - Anklageschrift sei "getürkt"

26.04.2019 UPDATE: 27.04.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden
Das Heidelberger Landgericht. Archiv-Foto: Dorn

Heidelberg. (uwi) Ein 41-jähriger Immobilienmakler soll versucht haben, einen Mann in Heidelberg umzubringen. Nach der Verhaftung drohte er Polizisten und deren Kindern mit dem Tod, so die Anklage. Seit Freitag muss er sich unter anderem wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht verantworten. Zum Auftakt stellte sich der Angeklagte als Opfer krimineller Rockergangs dar, gegen die er seit Jahren einen "Privatkrieg" führe. Polizei und Staatsanwaltschaft würden mit den Gangs unter einer Decke stecken und Beweise manipulieren.

Die Anklageschrift sei "von Anfang bis Ende getürkt", glaubt der Mann. "Was erzählen sie für Märchen?", fragte er Oberstaatsanwalt Florian Pistor. Der glaubt, dass der 41-Jährige schon länger einen "tiefen Groll" gegen das spätere Opfer hegte - und den 32-Jährigen letzten November mit einem Messer habe töten wollen. Das Opfer erlitt Verletzungen an der Hand und am Oberschenkel. Der Angeklagte konnte zunächst entkommen und wurde neun Tage später in einem Mannheimer Hotel gestellt.

Nach der Verhaftung soll er Polizisten und deren Kinder bedroht haben. Aus der U-Haft schrieb er einen beleidigenden und weitgehend nicht zitierfähigen Brief an die Staatsanwaltschaft. Darin drohte er einem Polizisten: "Ich werde deine Augen rausnehmen." Und: "Bin der Teufel in Person, gekommen, um dich zu holen. Sei auf der Hut." Auch dessen Familie sei "mit dran". Der Angeklagte kommentierte das so: "Kann sein, dass ich ihn beleidigt habe."

Es ist eine wirre Geschichte, die der Mann zum Prozessauftakt erzählte. Demnach werde er seit Jahren von kriminellen Rockern angegriffen. So auch am 12. November letzten Jahres in der Karl-Metz-Straße. Dort seien 18 Personen auf ihn losgegangen. Er habe sich gewehrt und "einige von denen krankenhausreif geschlagen". Ein Messer habe er jedoch nicht eingesetzt. Das passt nicht zu den Ermittlungen. Oberstaatsanwalt Pistor glaubt, dass der Angeklagte "ohne zu zögern" in Richtung des Gesichtes gestochen habe. Das Opfer saß auf dem Beifahrersitz eines Autos, die Scheibe war heruntergelassen. Der 32-Jährige habe den Stich mit der Hand abwehren können. Darauf habe der Angeklagte die Tür geöffnet und versucht, den Mann am Oberkörper zu treffen. Dieser wehrte sich offenbar mit Tritten und erlitt zwei Stichverletzungen am Oberschenkel. Das Opfer rannte zu einer nahen Tankstelle, ergriff ein Brotmesser und trat dem Verfolger entgegen, so die Anklage. Daraufhin machte sich der 41-Jährige aus dem Staub. Die Stichverletzungen erklärt der Angeklagte mal so: "Die haben sich gegenseitig abgestochen." Dann: Der 32-Jährige habe ihn angegriffen und sich dabei selber verletzt.

Über sein bisheriges Leben wollte der Angeklagte nichts erzählen. Um so ausführlicher waren seine Verschwörungstheorien, die er lautstark und wild gestikulierend von sich gab. Seit 2012 führe er einen "Privatkrieg" gegen kriminelle Rocker mit inzwischen "150 Auseinandersetzungen". Doch warum? "Aus Zivilcourage. Sie stören mich." Dem Vorsitzenden Richter fiel er dabei immer wieder ins Wort.

Ein vorläufiges psychiatrisches Gutachten kommt zu der Einschätzung, dass der Mann schuldfähig ist. Nach dessen Auftreten zum Prozessauftakt sind jedoch Zweifel angebracht. Problematisch ist, dass der Gutachter am ersten Prozesstag nicht zugegen war. Neun Verhandlungstage sind anberaumt. Es sollen 45 Zeugen und zwei Sachverständige gehört werden. Ein Urteil ist für den 25. Juni geplant.

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