Ausnahmen bestätigen die Regel: Das Land hat die Unternehmen rund um die Maskenpflicht informiert. Nachdem es einige Beschwerden gab, klärt die Stadt nun mit Plakaten auf. Foto: jul
Von Julia Lauer
Heidelberg. Seit Ende April gilt in Baden-Württemberg die Maskenpflicht, und daran ändert sich vorerst nichts: Wer einkaufen geht, Bus oder Bahn fährt, muss Mund und Nase bedecken. Ein paar Menschen aber sind von der Maskenpflicht ausgenommen, sofern dies ein ärztliches Attest bescheinigt – wegen Asthmas zum Beispiel oder aufgrund von Zwangsstörungen. Die Regel ist also eigentlich ziemlich eindeutig, solange sie nicht auf den Alltag trifft. Denn Menschen ohne Maske berichten immer wieder über Ausgrenzung.
"Wenn ich einkaufen gehe, fängt das Drama an", berichtet zum Beispiel eine Frau aus der Neugasse. Sie sei wegen Heuschnupfens von der Maskenpflicht befreit, das entsprechende Attest trage sie immer bei sich. Unter der Maske bekomme sie schlecht Luft und befürchte, ohnmächtig zu werden.
Nur: Dass sie aus gesundheitlichen Gründen keine Maske trägt, sieht man ihr nicht an. Immer wieder habe sie es deshalb mit unfreundlichem Verkaufspersonal zu tun, in der Drogerie, im Kaufhaus oder beim Bäcker. Oft trage sie die Maske "auf halbmast", obwohl sie es nicht müsste, bedeckt damit also den Mund, aber nicht die Nase. "So kann ich gut atmen und wenn ich niesen muss, kann ich die Maske immer noch schnell über die Nase ziehen."
Unlängst wollte sie in einer Neuenheimer Bäckerei ein Stück Kuchen kaufen. "An der Kasse wurde ich angeblökt: Ziehen Sie sofort die Maske über die Nase! Zeigen Sie Ihr Attest!", erinnert sie sich. Sie habe es also vorgezeigt – ein Schrieb im DIN-A4-Format, versehen mit dem Briefkopf ihres Hausarztes, zudem mit ihrem Namen, ihrer Adresse und ihrem Geburtstag – und den Kuchen bezahlt. Es sei der letzte gewesen, den sie dort kaufte, schimpft sie: "Die Kassiererin kopierte mein Attest, dabei enthält es persönliche Daten. Fast hätte ich die Polizei gerufen." Am meisten ärgert sie sich aber über den Ton des Personals. "Ich wurde behandelt wie ein Schwerverbrecher, der in den Senkel gestellt wird."
Eine Mannheimerin berichtet von ähnlichen Erlebnissen: Ihr wurde in einer Handschuhsheimer Bäckereifiliale der Einkauf verweigert. Das Attest habe sie sich um den Hals gehängt, damit man es gleich zur Kenntnis nehme, berichtet sie – genützt habe es nicht. "Obwohl ich mehrmals auf das Attest verwies, beharrte die Verkäuferin darauf, dass sie mir nichts verkaufen könne", erzählt sie. Die Bäckerei wolle sie nicht mehr betreten. "Das Personal vermutet wohl, Menschen ohne Maske seien Corona-Leugner aus der rechten Ecke, aber unter der Maske bekomme ich Panik", erzählt die 48-Jährige.
Allerdings: Die Regelungen zur Maskenpflicht stellen auch viele Inhaber und Verkäufer vor eine Herausforderung. Sie müssen für Sicherheit sorgen, Kunden mit und ohne Maske gleichermaßen ernstnehmen. In Ladencafés gelten zudem unterschiedliche Regelungen für Laufkundschaft und Café-Gäste. Schwierig also, wenn sie alle aufeinandertreffen, so wie zum Beispiel im Café Frisch in Neuenheim. "Wir müssen uns an die Regeln halten, sonst bekommen wir es mit dem Ordnungsamt zu tun", sagt Karin Frisch, Mutter der beiden Inhaberinnen, die im Geschäft täglich hinter der Theke steht.
Menschen, die von der Maskenpflicht befreit sind, würden natürlich in der Bäckerei bedient, beteuert sie, doch sie ließe sich das Attest vorzeigen und einen Zettel mit deren Daten ausfüllen –, wozu sie zwar die Laufkundschaft mit Maske nicht auffordere, sehr wohl aber Café-Gäste mit und ohne Maske. Die meisten Kunden, die von der Maskenpflicht befreit sind, kämen der Aufforderung nach. Aber Ausreißer gebe es immer wieder, manche seien aggressiv und beschimpften sie mit derben Worten.
Die Stadtverwaltung weiß um die Schwierigkeiten und plakatierte an die 100 Poster zum Thema: "Ausnahmen bestätigen die Regel", ist darauf zu lesen. Der Ordnungsdienst kläre Betriebe und Einzelhandel bezüglich der Regelungen auf, teilt die Stadt mit. Das Attest zu kopieren, ist demnach nicht zulässig. Die Inhaber müssten grundsätzlich dafür Sorge tragen, dass ihre Verkaufsfläche nicht zur Gefahr werde. Dazu gehöre auch, Kunden auf die allgemeine Maskenpflicht anzusprechen. Rechtlich stehe den Inhabern das Hausrecht zu, sodass sie in Einzelfällen Hausverbote verhängen könnten. Zugleich verweist die Stadt jedoch auf die Landesarbeitsgemeinschaft Antidiskriminierungsberatung. Auf deren Homepage heißt es: "Werden Menschen trotz Bescheinigung abgewiesen, handelt es sich um eine mittelbare Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Diese Ungleichbehandlung ist gesetzeswidrig."
Die RNZ erhielt auch Zuschriften von Menschen, die berichteten, trotz Attest an der Tür des Kaufhauses Galeria Kaufhof abgewiesen worden zu sein. Der Geschäftsführer der Filiale in der Hauptstraße wollte sich dazu nicht äußern, auch eine Anfrage beim Konzern blieb unbeantwortet. Eine Mitarbeiterin bestätigte jedoch, dass man Angestellte und Kunden auf diese Weise habe schützen wollen. Inzwischen hat das Kaufhaus seine Hauspolitik geändert, wie aus Plakaten im Eingangsbereich hervorgeht. Und die Mitarbeiterin bestätigt: Menschen ohne Masken, aber mit Attest sind willkommen.
Ginge es nach dem Einzelhandel, würde die Maskenpflicht ohnehin gelockert – für alle. Der Einzelhandelsverband Nordbaden plädiert für mehr Eigenverantwortung. "Wir wissen, dass die wirksamste Maßnahme im Schutz vor Infektionen die Abstandsregel ist. Deshalb sollte eine Lösung angestrebt werden, die überall dort, wo die Einhaltung der Sicherheitsabstände garantiert werden kann, einen Verzicht auf die Maske ermöglicht", erklärte dazu gestern der Vizepräsident des Verbands, der Heidelberger Sahin Karaaslan.