Von Denis Schnur
Es war eine ungewohnte Mischung, die sich am Mittwoch auf dem Universitätsplatz zusammenfand: 500 Menschen standen dort, die meisten davon Studentinnen und Studenten, aber auch Uni-Mitarbeiter und sogar deren Chef: Rektor Bernhard Eitel. Dass der gemeinsam mit den Studenten auf die Straße geht, gab es zuvor erst einmal in der Geschichte Heidelbergs. Genau wie 2014 ging es auch diesmal um mehr Geld für die Hochschulen im Land. Denn darüber verhandelt die Landesregierung derzeit in Stuttgart, im Januar stimmt der Landtag darüber ab.
Und die 500 Heidelbergerinnen und Heidelberger wollten vor dieser Entscheidung nochmal Druck machen. Mit Plakaten wie "Baden-Wütend-Berg", "Wer nicht zahlt, bleibt dumm!". Mit Slogans wie "Bildung krepiert, weil die schwarze Null regiert". Und mit einer Demonstration durch die Innenstadt. Denn das, was bislang verhandelt wurde, reicht ihnen nicht. Sie fordern eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung der Universitäten und Hochschulen: "Nach aktuellem Stand würde gerade mal 13 Prozent von dem genehmigt, was die Rektoren als notwendig empfinden", betonte Marc Baltrun vom Studierendenrat der Universität in seiner Ansprache. Deutlich zu wenig, denn: "Wir Studierenden kosten Geld, aber eine Investition in uns ist eine Investition in die Zukunft."
Noch deutlicher wurden seine Kommilitoninnen und Kommilitonen von der Pädagogischen Hochschule (PH): "Mit dem aktuellen Hochschulfinanzierungsvertrag geht es allen Studierenden im Land schlecht", erklärte Luisa von deren Studierendenparlament. "Aber uns PH-Studierenden geht es richtig beschissen." Das Land gebe nämlich pro Uni-Student mehr als anderthalbmal so viel Geld aus wie für PH-Studenten – obwohl auch die PHs "Hochschulen universitären Rangs" sind. Und diese geringere Finanzierung bemerke man, wenn man durch die Heidelberger PH laufe: "Der Neubau ist PCB-verseucht, die Infrastruktur veraltet und wegen des konstanten Personalmangels fallen immer wieder Lehrveranstaltungen aus." Deswegen fordere man nicht nur mehr Geld für die Bildung, sondern endlich auch die finanzielle Gleichstellung von Unis und PHs.
Überhaupt fehle an allen Ecken und Enden Geld, waren sich bei der Demo alle einig. Denn seit Ende der 90er-Jahre sind zwar die Studierendenzahlen massiv angestiegen – die Finanzierung jedoch nicht annähernd in gleichem Maße. Darunter leiden nicht nur die Studenten durch schlechtere Bedingungen, sondern vor allem auch die Mitarbeiter, wie auch zwei Vertreter der Mittelbau-Initiative deutlich machten. "Ausbeuter! Ausbeuter!", riefen die Demo-Teilnehmer immer wieder, als diese von ständigen Befristungen und von den Arbeitsbedingungen an der Uni berichteten.
Bedingungen, wie sie auch Konstanze Hügel vom Personalrat der Uni nicht weiter hinnehmen möchte: "Diejenigen, die in prekären Verhältnissen und unter miesen Bedingungen arbeiten, sollen dem Land den Elitestatus bringen", beschwerte sie sich in ihrer Rede und forderte stattdessen endlich "eine dauerhafte und verlässliche Perspektive" für die Hochschulen. Wie das umgesetzt werden könne? Etwa, indem man an anderer Stelle spart: "Der Bildungshaushalt 2020 macht 5,1 Prozent des Bundeshaushalts aus", rechnete Hügel vor, "und der Verteidigungshaushalt 12,5 Prozent."
Update: Mittwoch, 30. Oktober 2019, 19.45 Uhr
Stuttgart. (dpa-lsw) In zehn Städten in Baden-Württemberg sind am Mittwoch Tausende Studenten für mehr Geld für Universitäten auf die Straße gegangen. "Beenden Sie die Unterfinanzierung der Hochschulen und werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht", forderte die Studentin Johanna Ehlers auf einer Kundgebung in Stuttgart die Landesregierung auf. Wolfram Ressel, Rektor der Universität Stuttgart und Mitglied der Landesrektorenkonferenz, schlug vor, Geld aus den Dieselskandal-Strafzahlungen von Automobilkonzernen für die Hochschulen zu verwenden.
Derzeit wird über einen neuen Vertrag der staatlichen Hochschulen mit dem Land verhandelt, der die Finanzierung für die Jahre 2021 bis 2025 regelt. Zurzeit bekommen die Hochschulen rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Geplant ist, pro Jahr zusätzliche Mittel zu geben, die von 127 Millionen Euro (2021) auf 533 Millionen Euro (2025) ansteigen.
Viel zu wenig, finden Hochschulrektoren, Gewerkschaften und Studenten. Denn die Hochschulen haben mit zusätzlichen Kosten - etwa für die Digitalisierung oder für neue Aufgaben wie die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung - zu kämpfen, wie der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Bernhard Eitel, mitteilte. Allein die Betriebskosten würden jährlich um rund 45 Millionen Euro steigen. "Wir werden sicherlich Kürzungen durchführen müssen", sagte Wolfram Ressel auf einer Kundgebung auf dem Campus in Stuttgart. Die Hochschulen seien in den vergangenen Jahren "gewachsen wie wahnsinnig". Jahrelang sei gespart worden, so der Vorwurf.
93 Prozent der wissenschaftichen Mitarbeiter seien schon jetzt befristet beschäftigt, beklagte Cendrese Sadiku von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Peter Schadt von der DGB Hochschulgruppe Stuttgart sagte, wegen des Spardrucks werde überall privatisiert, etwa würden Reinigungspersonal und Mensamitarbeiter "outgesourced", um Tariflöhne zu umgehen. Die Rektorenkonferenz rechnet mit einem zusätzlichen Bedarf von rund 500 Millionen Euro pro Jahr.
Das Wissenschaftsministerium teilte mit, die Hochschulen würden damit allein für 2020 so viel fordern, wie allen Ressorts miteinander zusätzlich für 2020 und 2021 zur Verfügung stehe. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) kündigte an, sie werde im Landtag für weitere Mittel für die Hochschulen kämpfen.
Mehr als "ein paar Milliönchen" könne man so aber wohl nicht mehr dazugewinnen, sagte Ressel. Aber es gebe ja noch die Strafzahlungen von Daimler und Porsche. "Wir fordern: Pro Jahr 100 Millionen Euro an die Universitäten von diesem Geld!" Damit wären die nächsten fünf Jahre gesichert, sagte er. Daimler war wegen Verwicklungen in den Dieselskandal zu einer Strafe von 870 Millionen Euro verdonnert worden, Porsche zu 535 Millionen Euro. Die Wissenschaftsministerin bekräftigte, sie setze sich dafür ein, dass auch die Hochschulen als Innovationstreiber von den Mitteln profitieren.