"Heidelberger Symposium für mehr Sinn und Relevanz in der Medizin": Am Morgen begrüßte gestern Kaufmännische Klinikumsdirektorin Irmtraut Gürkan die Gäste - und erklärte, weshalb Wirtschaftlichkeit und Patientenfürsorge keine Widersprüche sind. Foto: Philipp Rothe
Von Ingrid Thoms-Hoffmann
Heidelberg. Ohne Zweifel, Irmtraut Gürkan ist eine toughe Frau. Das Heidelberger Universitätsklinikum leitet sie als Kaufmännische Direktorin seit 2003. Keine einfache Aufgabe. Aber daraus macht die studierte Volkswirtschaftlerin auch keinen Hehl. Dass ausgerechnet sie beim ersten "Heidelberger Symposium für mehr Sinn und Relevanz in der Medizin" einen der schwierigsten Parts zu übernehmen hatte, ist durchaus folgerichtig. Denn sie ist die Frau der Zahlen, von ihren Fähigkeiten hängen tausende Arbeitsplätze ab, sie gestaltet maßgeblich mit, wohin die Reise des Klinikums geht. Und während die Organisatoren des zweitägigen Symposiums, das sich gleichermaßen an Mediziner wie Patienten richtet, sich den Leitsatz gaben: "Die Medizin muss in Forschung und Behandlung den Patienten in den Mittelpunkt rücken", sagt die 66-jährige Direktorin: "Die Wirtschaftlichkeit spielt eine wichtige Rolle." Sonst geht es nicht vorwärts. Ein Widerspruch? Nicht für die Spitzenmanagerin. "Der Arzt als Erfüllungsgehilfe eines Businessplans. Wie positioniert sich eine Krankenhausleitung hierzu?", so der Titel ihres halbstündigen Vortrags.
Der Arzt, ob als Erfüllungsgehilfe oder nicht, spielt im Vortrag von Irmtraut Gürkan nicht die herausragende Rolle. Für sie geht es um Rahmenbedingungen, die stimmen müssen, soll das Klinikum auch weiterhin in der Spitzenliga mitspielen. Sie ärgert, dass zum ersten Mal in ihrer Heidelberger Zeit das Klinikum mit einem Minus von 800.000 Euro abschloss. Eigentlich ein geringer Betrag, bei einem jährlichen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro.
Für Gürkan geht es um Fakten. Das ist für sie die Basis allen Handelns: Das Uniklinikum hat den Ruf, eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland zu sein; die Medizinische Fakultät zählt zu den renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiter. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2000 Betten werden jährlich rund 65.000 Patienten vollstationär, 56.000 Patienten teilstationär und weit über eine Million Patienten ambulant behandelt.
45 Kooperationsverträge im stationären und ähnlich viele im ambulanten Bereich ermöglichen es dem Uniklinikum, sich auf die Hochleistungsmedizin zu konzentrieren. Dass die Universitätsklinika innerhalb der Krankenhauslandschaft mit ihrer Spitzenmedizin eine besondere Rolle einnehmen, wird auch von der Politik nicht bestritten, dennoch werden die Klinika nach denselben Konditionen vergütet wie ein Kreiskrankenhaus, beklagt Gürkan.
Als aktuelle Herausforderung sieht die kaufmännische Chefin vor allem den Personalmangel. Allerdings, zu Bettenreduzierungen wie in anderen Krankenhäusern, sei es bisher noch nicht gekommen. Was sie allerdings begrüßt: Den Abbau von Überkapazitäten. Ihr Wahlspruch: "Die richtigen Betten an der richtigen Stelle." Nachholbedarf sieht sie in der "interdisziplinären Notfallversorgung". Denn der Mangel "geht zu Lasten des Patienten". Hier setzt sie auf Gesundheitsminister Jens Spahn, der "ja so manches und auch Gutes auf den Weg bringt". Ein Alarmzeichen ist für sie unterdessen, dass in Hessen zwei Unikliniken verkauft werden mussten. Gürkan spricht von einem immer härter werdenden Wettbewerb, der Kliniken in rote Zahlen rutschen lässt. "Die Fusions-und Privatisierungswelle läuft." Im pauschalierten Abrechnungsverfahren (DRG), das vor 16 Jahren eingeführt wurde, sieht sie einen der Gründe.
Was will das Heidelberger Klinikum dagegensetzen? Gürkans Antworten sind klar und sollten nach ihren Vorstellungen mit der Ärzteschaft einvernehmlich umgesetzt werden: Festlegung des "richtigen" Leistungsportfolios, also Schwerpunkte bilden; weiterer Ausbau heißt an anderer Stelle Einsparungen; Ambulanzierung der Medizin, was Abbau der Betten bedeutet; zentrales Bettenmanagement - und ob eine Abteilung wichtig ist, soll nicht von der Zahl der Betten, sondern von der "Innovationsfähigkeit" und dem "Versorgungsauftrag" abhängig sein. Außerdem: keine überflüssige Behandlungen (Deutschland liegt beim Griff zum Skalpell weit über dem OECD-Durchschnitt).
Dabei sind für die Klinikmanagerin Ökonomie und Ethik keine Gegensätze, sondern "ergänzende Elemente". Und für sie steht fest: Medizin muss an erster Stelle kommen. Ihr Anspruch, der in Heidelberg gelebt werden soll.