Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Die ganze Stadt für die Literatur zusammenbringen – das ist seit vielen Jahren das Ziel des Heidelberger Literaturherbstes. Doch die Pandemie und ihre Folgen gehen natürlich auch an dem viertägigen Festival, das am Donnerstag startet, nicht spurlos vorbei. Und trotzdem wollen die Macherinnen und Macher den eigenen Ansprüchen auch bei der sechsten Auflage genügen. Wie das funktionieren soll, erklärt Veronika Haas (42) aus dem vierköpfigen Organisationsteam im Interview.
Frau Haas, zu viert fast komplett ehrenamtlich ein Festival mit rund 30 Veranstaltungen zu organisieren, ist ohnehin schon keine leichte Aufgabe. Wie haben Sie das unter Pandemiebedingungen hinbekommen?
Die Organisation war in diesem Jahr natürlich wesentlich aufwendiger. Sie hat etwa doppelt so viel Zeit beansprucht wie sonst. Eigentlich schließen wir unsere Planung für das Festival im April ab, doch dieses Jahr befanden wir uns zu diesem Zeitpunkt noch mitten im Lockdown. Vieles war also in der Vorbereitung schwer abzusehen und hat sich verzögert. Hinzu kommt, dass uns Corona mitten in der Werbephase von Sponsoren getroffen hat, was uns leider auch einige Zuschüsse gekostet hat. Aber wir haben viele wunderbare Kooperationspartner wie das Deutsch-Amerikanische Institut oder die Stadtbücherei, die uns in diesem Jahr besonders unterstützt haben. Da sind wir sehr dankbar.
Viele Veranstaltungen und Festivals liefen zuletzt nur digital ab. Wie sieht es beim Literaturherbst aus?
Wir haben das große Glück, dass alle Veranstaltungen analog stattfinden können, natürlich unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen. Wir hatten zwar schon einen Plan B ausgearbeitet, sollten die Kontaktbeschränkungen bestehen bleiben, aber im Sommer haben wir dann die bewusste Entscheidung getroffen, analog zu bleiben.
Hätte eine Ausweitung des Festivals auf den digitalen Raum nicht die Chance geboten, noch mehr Leute zu erreichen?
Das kann sein. Aber wir sind der Meinung, dass Literatur eine Kunst ist, die das Miteinander braucht. Es ist doch etwas anderes, ob man für sich allein im Wohnzimmer sitzt und dort einen Livestream am Bildschirm verfolgt oder ob man eine Veranstaltung vor Ort erleben und in den direkten Austausch zu anderen Menschen treten kann. Jetzt, da es wieder möglich ist, wollen wir die Form des direkten Miteinanders wieder suchen und ermöglichen. Dennoch bieten wir auch zwei Hybrid-Veranstaltungen an, die sowohl vor Ort als auch im Internet per Livestream zu verfolgen sind.
Inwiefern beeinflusst die Pandemie das diesjährige Festival-Programm?
Wir hatten ursprünglich 31 Veranstaltungen angekündigt, drei davon mussten wir wegen Corona leider absagen. Die ein oder andere Veranstaltung ist, was die Zahl der Plätze betrifft, natürlich begrenzter, als es sonst möglich wäre. Online kann man sich in diesem Jahr zudem vorab für einzelne Angebote anmelden. Das erleichtert es uns, die Schutzmaßnahmen auch zu gewährleisten, denn die Gesundheit der Gäste hat für uns höchste Priorität. Aber viele der 28 Veranstaltungen finden ohnehin unter freiem Himmel statt. Wir haben etwa ein Freilichttheater auf dem Wilhelmsplatz, eine Lesung im Außenbereich des Café YilliY oder "Literatur an der Straßenecke".
Auf welche Veranstaltungen können sich die Besucherinnen und Besucher freuen?
Ein Höhepunkt ist sicherlich die Eröffnung am kommenden Donnerstag, wenn die Heidelberger Sinfoniker eine besondere Stückauswahl mit einer Kadenz Hölderlins präsentieren. Das wird man so schnell wohl nicht mehr hören können. Und wir haben zum Beispiel eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Literatur und Literatur der Zukunft. Da geht es unter anderem um den rückläufigen Büchermark und die Digitalisierung der Branche. Wir wollen dabei auch die Gäste fragen, was sie darüber denken und was sie erwarten. Ich denke, das wird sehr interessant.
Der Literaturherbst ist ein ebenso junges wie kleines Festival. Was macht es für Sie besonders?
Unsere Hauptabsicht ist es, dass der Zugang zur Literatur niedrigschwellig ist. Das ist uns zum Glück auch diesmal gelungen: Fast alle unserer Veranstaltungen sind kostenlos. Uns ist es außerdem wichtig, dass Literatur nicht nur isoliert gesehen wird, sondern zusammen mit den Schwesterkünsten, daher bieten wir etwa Formate mit Musik und Theater oder Malen an. Und: Wir möchten den Heidelbergern die lokalen Autorinnen und Autoren vorstellen, die sie bislang vielleicht noch gar nicht kennen. Denn viele Menschen wissen nicht, welche literarische Qualität in dieser Stadt steckt.
Info: Das komplette Programm und Karten für den gibt es unter: literaturherbstheidelberg.de/. Auch vor den Veranstaltungen empfiehlt es sich, angesichts möglicher Änderungen auf die Webseite oder die Literaturherbst-Seiten der sozialen Medien zu schauen.