Seit Samstagmorgen hängen in der ganzen Stadt Wahlplakate für die Landtagswahl – wie hier in der Kurfürsten-Anlage. Foto: Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Es ist ein erwartbares Schauspiel, das sich ziemlich genau vier Wochen vor jeder Wahl in Heidelberg beobachten lässt: Die Parteien dürfen stets in der Nacht auf einen Freitag ab 0 Uhr plakatieren. Das heißt, dass um Mitternacht immer der Kampf um die besten Plätze beginnt – nach dem Motto: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Und weil der politische Wettbewerb nicht immer regelkonform abläuft, gibt es bei jeder Wahl Parteien, die ihre Werbung zu früh aufhängen – und Parteien, die sich darüber beklagen.
Auch wenn im Corona-Jahr vieles anders läuft – der Wahlplakat-Ärger ist pünktlich wie immer. Seit der Nacht auf Samstag darf plakatiert werden und schon am Samstag kamen bei der RNZ erste Beschwerden an. Neben dem Klassiker – "Partei XYZ hat zu früh plakatiert" – gibt es diesmal aber einen neuen Dreh: Im Mittelpunkt stehen die Neuenheimer Grünen. Sie wollten in der Nacht zum Samstag ihre sogenannten "Dreieckständer" aufstellen und trafen sich dafür schon am Freitagabend am Neuenheimer Marktplatz. Da man die Plakatständer jedoch zunächst mit Kabelbinder zusammenbinden muss und das mit Handschuhen schwierig ist, nutzten sie eine Art Synergieeffekt. Denn ihr Stadtrat Nicolá Lutzmann ist auch im Stadtteilverein aktiv und dort für die Vermietung des Bürgerzentrums zuständig. "Es war die kälteste Nacht des Jahres. Da hab’ ich gesagt: Lasst uns schnell reingehen."
Gesagt, getan. Im Gang des Zentrums verbanden die Grünen ihre Plakate. "Wir waren da zehn bis 15 Minuten", so Lutzmann. Blöd nur, dass just in diesem Moment die Junge Union vorbeikam, "weil sie schon vor Mitternacht plakatiert hat", ist Lutzmann sicher. Das Bürgerzentrum steht Parteien zwar grundsätzlich offen – aber nicht ohne Mietvertrag. "Die Grünen haben rechtswidrig das städtische Bürgeramt Neuenheim als Wahlkampfzentrale benutzt, nur weil deren Stadtrat zufällig einen Schlüssel hat", schrieb deshalb ein junger CDU-Anhänger bei Twitter. "Unfassbar."
Und auch Ilona Linninger, Vorsitzende des Stadtteilvereins und selbst CDU-Mitglied, betont auf RNZ-Anfrage: "Der Stadtteilverein Neuenheim war über die Aktivitäten der Grünen nicht informiert." Das Bürgerhaus sei wegen der Corona-Pandemie eigentlich komplett geschlossen. Wie der Verein damit umgehe, dass die Grünen die Räume dennoch genutzt hätten, sei noch unklar: "Über weitere Konsequenzen muss der Vorstand kurzfristig beraten", so Linninger.
Lutzmann wiederum entschuldigt sich wenige Tage später: "Das war unüberlegt", sagt er der RNZ. Beim nächsten Mal werde er entweder vorab einen Mietvertrag unterschreiben oder schauen, ob man das Bürgerhaus nicht für alle Parteien öffne: "Wenn die CDU gefragt hätte, hätte ich die ja natürlich reingelassen."