Für einen Zoo sieht der Eingangsbereich mit seinem Tor außergewöhnlich aus. Das liegt daran, dass es einst zum Zentralfriedhof gehörte. Foto: Zoo Heidelberg
Heidelberg. (RNZ) Die Autorinnen Eva-Maria Bast und Heike Thissen haben Relikte im Stadtbild Heidelbergs ausgemacht - und sich von lokalen Experten erklären lassen, was es mit ihnen auf sich hat. So sind 50 spannende Geschichten entstanden, die nun in dem Buch "Heidelberger Geheimnisse" erschienen sind. In der RNZ drucken wir einige Kapitel ab. Heute: das Portal des Zoos.
HEIDELBERGER GEHEIMNISSE
Was haben die Tiere im Heidelberger Zoo mit etlichen Toten auf dem Ehrenfriedhof gemeinsam? "Natürlich gar nichts", könnte die empörte Antwort auf die Frage lauten. Doch Wolfgang Becker weiß, dass es durchaus eine Verbindung zwischen beiden gibt: Der Boden, auf dem Erstere heute leben, ist derselbe, in dem Letztere früher lagen. "Auf dem Gelände des Zoos befand sich bis 1934 der Zentralfriedhof", erklärt der Technische Leiter der Heidelberger Friedhöfe. Eines der wenigen Relikte, anhand derer sich das heute noch erkennen lässt, ist der Haupteingang, der einst das Portal für die Gräberstätte war.
Um zu erklären, wie es dazu kam, muss Wolfgang Becker bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgehen. "Anfang der 1850er-Jahre gelangte der Bergfriedhof an seine Grenzen, was die Kapazität anging. Erdreihenbestattungen konnten damals nicht mehr stattfinden, weil kein Platz mehr zur Verfügung stand." Also beschloss die Stadt 1907, auf dem Neuenheimer Feld im Neckarbogen einen Zentralfriedhof zu errichten. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 1914, aber sie wurden nie vollendet. "Der Erste Weltkrieg kam dazwischen. In seinem Verlauf widmete die Stadt das Gelände in einen Soldatenfriedhof um", erklärt der Friedhofsexperte. Ohnehin hatten schon in den ersten Kriegsmonaten die Gefallenen hier ihre letzte Ruhe gefunden.
Doch Soldatenfriedhof blieb das Gelände nur einige Jahre. Denn ab Mitte der 1920er-Jahre begannen auf Entschluss des Reichstags die Arbeiten für die Kanalisation des benachbarten Neckars. 1924 entstand sein Seitenkanal, außerdem stauten künftig die Schleuse Schwabenheim und das Stauwehr Wieblingen den Fluss. "Dadurch stieg der Grundwasserspiegel in den ufernahen Bereichen so sehr, dass auf dem Gelände des Zentralfriedhofs keine Bestattungen mehr stattfinden konnten", sagt Wolfgang Becker. Eine neue Ruhestätte für die rund 600 Toten musste her, doch nicht irgendeine. Sie sollte einen "weihevollen" Eindruck machen und großen Versammlungen Raum bieten, um "vaterländische Gedenktage würdig zu begehen", entschied der damalige Heidelberger Oberbaurat Fritz Haller.
Erst 1932 stand der geeignete Ort dafür fest. Die Wahl fiel auf den sogenannten Ameisenbuckel auf dem Gaisbergdorn, wo der Reichsarbeitsdienst 1933 mit dem Bau im Stil des Nationalsozialismus begann. Ein Jahr später konnte die Eröffnung stattfinden, und die auf dem Zentralfriedhof verbliebenen Toten - mehr als 80 waren zwischenzeitlich bereits in die Friedhöfe ihrer Heimat überführt worden - wurden am 27. Oktober 1934, dem Tag vor Allerseelen, auf den neuen Ehrenfriedhof umgebettet. "Schon vier Wochen später eröffnete auf dem Gelände am Neckar der Kurpfälzische Tiergarten", weiß der Friedhofsexperte.
Die Fläche wurde hierfür komplett umgestaltet, den Eingangsbereich mit seinem Tor behielt man aber bei. Am 20. November 1934 konnte eröffnet werden. "Die Anfangsjahre waren schwierig, weil Geld fehlte und die Heidelberger in den Jahren des Zweiten Weltkriegs anderes im Sinn hatten, als in den Zoo zu gehen", sagt Becker. In den letzten Kriegsmonaten fiel der Tiergarten einem Bombenangriff zum Opfer und wurde fast vollständig zerstört, der Wiederaufbau ging nur langsam vonstatten.
Info: Das Buch "Heidelberger Geheimnisse" (192 Seiten, ISBN: 978-3-946581-47-5), gibt es für 19,90 Euro in der RNZ-Geschäftsstelle, Neugasse 4-6, und in Buchhandlungen.