Von Anica Edinger
Heidelberg. Nächstes Wochenende ist es voraussichtlich geschafft: Dann haben Bewohnerinnen und Bewohner, Pflegerinnen und Pfleger in allen 15 Heidelberger Altenheimen ihre Erst-Impfung erhalten. Das ist auch den beiden Mobilen Impfteams zu verdanken, die von der Stadt koordiniert werden und die seit dem 22. Januar täglich im Einsatz sind.
Eines dieser Impfteams leitet der Wieslocher Kinderarzt Dr. Gerhard Veits. Am Wochenende war er mit seinem Team in zwei Heidelberger Heimen im Einsatz, unter der Woche bietet er Infoabende an, um auch diejenigen vom Impfen zu überzeugen, die noch skeptisch sind. Wie er das macht, erklärt der 58-Jährige im RNZ-Interview.
Gerhard Veits. Foto: PfeiferHerr Veits, Sie haben bereits in Mannheim ein Impfteam geleitet, nun sind Sie seit gut zwei Wochen mit einem neuen Team als Impfarzt auch in Heidelberg unterwegs. Wie ist Ihre Erfahrung: Wer lässt sich impfen – und wer nicht?
Ganz allgemein kann ich sagen, dass die Impfbereitschaft unter den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr hoch ist – zwischen 80 und 90 Prozent. Bei dem Personal sieht es dagegen ganz anders aus. Dort bewegt sich die Spannweite derer, die sich impfen lassen wollen, zwischen 40 und 50 Prozent. Das ist in Mannheim und Heidelberg ungefähr gleich.
Welche Ängste hat das Personal gegenüber den SARS-CoV-2-Impfstoffen?
Sie haben beispielsweise Angst vor Langzeitfolgen, vor Nebenwirkungen wie Unfruchtbarkeit, sie misstrauen den Impfstoffen, weil deren Entwicklung so schnell ging, sie lesen diesen ganzen Unsinn im Internet, wonach beispielsweise auch Menschen durch die Impfung gestorben wären.
Bei Ihren Informationsabenden wollen Sie diese Ängste und Sorgen ausräumen. Wie machen Sie das?
Indem ich informiere und motiviere und die Sorgen und Nöte ernst nehme. Ich mache das aber nicht alleine, sondern mit einer Krankenschwester der Covid-Intensivstation der Uniklinik. Sie sieht jeden Tag, was diese Krankheit anrichten kann – und zwar nicht nur bei Älteren, sondern auch bei Jüngerin. Das hat einen großen Effekt. Ich erkläre wiederum alles Wichtige zur Impfung: Was kann sie, was kann sie nicht? Zudem – und das ist eine der großen Sorgen vieler Skeptiker – stelle ich dar, weshalb die Entwicklung der Impfstoffe so schnell ging. Es gibt nämlich für alles nachvollziehbare Erklärungen.
Die Kurzversion: Wieso ging die Entwicklung so schnell?
Es gibt drei Phasen bei der Impfstoffentwicklung: In der ersten muss ich schauen, gegen welches Antigen sich die Impfung richtet. Wenn ich das weiß, muss ich herausfinden, mit welcher Dosis und in welchen Abständen dieses Antigen verabreicht werden muss. Im zweiten Schritt muss ich schauen, wie ich das Antigen in die Körper bringe. In der dritten Phase geht es an den Menschen selbst, in Studien wird die Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet. Was alle drei Phasen der Entwicklung des SARS-CoV-2-Impfstoffes beschleunigt hat, ist, dass es bereits SARS-CoV-1 gibt, das sehr ähnlich und bereits bestens untersucht ist. Welche Dosis also wirksam ist, war schnell ermittelt. Das Prinzip mRNA ist zudem seit 15 Jahren aus der Krebstherapie bekannt. Außerdem wurden die Zulassungsbehörden bei jedem Zwischenschritt einbezogen, so konnte der Prozess sehr effektiv gestaltet werden.
Und wie sieht es mit den Todesfällen nach einer Impfung aus, von denen man immer wieder liest?
Vor allem der norwegische Fall, wo 23 Menschen nach der Impfung gestorben sind, hat ja Schlagzeilen gemacht. Diese Menschen wurden alle nachuntersucht worden und es ist nichts festgestellt worden, was ursächlich auf die Impfung zurückzuführen ist. Aber es waren alles sehr alte und sehr schwache Menschen. Sie können allein durch das Fieber, das teilweise ganz natürlich nach der Impfung auftritt, aus der Bahn geworfen werden. Ich bin deshalb auch sehr zurückhaltend, was das Impfen von sehr alten und sehr geschwächten Personen angeht. Im ASB-Heim in Wieblingen habe ich deshalb eine Person nicht geimpft. Das macht dann keinen Sinn. Für jüngere, fitte Menschen trifft das aber nicht zu.
Wie viele Pflegekräfte können Sie denn durch Ihre Infoabende überzeugen?
Ein Beispiel: Am Samstag waren wir im ASB-Heim in Wieblingen. Dort hatte ich mittwochs zuvor einen Informationsabend für das Personal – und am Samstag haben sich von 51 Pflegekräften 48 impfen lassen. Das ist absoluter Rekord – und es zeigt, wie wirksam es ist, wenn man vorher informiert.
Sie machen die Infoabende ehrenamtlich, teilweise zwei Mal die Woche, nicht nur in Heidelberg. Dazu sind Sie die ganzen Wochenenden mit dem Impfteam unterwegs. Was ist Ihre persönliche Motivation?
Ich habe einfach gemerkt, dass die Impfbereitschaft durch die Infoabende massiv gesteigert werden kann. Zudem finde ich die aktuelle Situation ganz persönlich unerträglich. Deshalb muss das Impfen jetzt Geschwindigkeit aufnehmen. Das ist einfach wichtig. Klar ist: In dem derzeitigen Tempo kann es nicht weitergehen. Der Impfstoffmangel ist natürlich der Hauptgrund. Wenn aber mal genügend da ist, bin ich der Meinung, dass er in die Arztpraxen muss. Nur so wird das Ganze richtig Fahrt aufnehmen.
Sind Sie selbst bereits geimpft?
Ja, schon zwei Mal. Ich kann ja den Leuten nicht die Angst vorm Impfen nehmen, wenn ich selbst nicht geimpft bin.
Was passiert, wenn Sie nach einem Tag im Impfeinsatz abends noch Dosen übrig haben?
Es wird nichts weggeworfen! Es kommt häufiger vor, dass wir abends noch Impfstoff übrig haben – das ist klar, weil die Anzahl der Dosen nicht immer aufgeht. Wir rufen dann Menschen an, die auch die Priorität 1 haben, medizinisches Personal etwa. Die kommen dann zum Heim und werden auch geimpft.