Dieses Foto erschien am 13. September 2001 in der RNZ: Ein Soldat beugt sich zu den Blumen hinab, die viele Heidelberger am US-Hauptquartier in der Südstadt abgelegt haben. Foto: Kresin
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Es gibt Tage in der 75-jährigen Geschichte der RNZ, in der die Welt den Atem anhielt und Journalisten einfach nur noch funktionierten. Einer davon war heute genau vor 19 Jahren: Die Terroranschläge des 11. September 2001 veränderten Heidelberg. Und sie veränderten vor allem das Verhältnis der Heidelberger zu den hier stationierten US-Streitkräften. In und um Heidelberg (Leimen, Wiesloch, Oftersheim oder Schwetzingen) lebten nach Auskunft des Presseoffiziers der US-Gemeinde, Peter M. Dressler damals 19.000 amerikanische Staatsbürger – davon 4000 in Uniform. Das Gros der in Heidelberg lebenden Amerikaner waren demnach Familienangehörige und Zivilisten. Anfangs gab es eine riesige Solidarität der Heidelberger, doch sie wurde bald getrübt von einer rigorosen Abschottungspolitik der Amerikaner. Wie die RNZ-Stadtredaktion über den 11. September 2001 und die Tage danach berichtete:
> 11. September 2001: Ein Kamerateam des SWR-Fernsehens ist gerade in der Redaktion, um einen Beitrag über die RNZ, die älteste Zeitung in Baden-Württemberg zu drehen, als Kollege Karl-Horst Möhl mit der Pressestelle der US-Army in Heidelberg telefoniert. Warum, das weiß hinterher niemand mehr so genau. Wahrscheinlich geht es um eine Straßensperrung oder Ähnliches. Schnell ist jedoch klar, dass hier etwas nicht stimmt. "Schalten Sie CNN ein", rät der Pressesprecher. Im Fernsehen die unfassbaren Bilder: Live verfolgt die Redaktion, wie ein Flugzeug in den zweiten Turm der Twin Towers kracht. Mit einem Mal ist der Journalistenalltag auf den Kopf gestellt: Die Vorbereitungen auf die Eröffnung der Sammlung Prinzhorn und den Heidelberger Herbst sind plötzlich vollkommen unwichtig. Alle Kollegen schwärmen aus, um Stimmen zu sammeln, Reaktionen einzuholen, mit der US-Army Kontakt aufzunehmen. Am Nachmittag werden ständig aktualisierte Extrablätter in der Hauptstraße verteilt. Vor den RNZ-Schaukästen bilden sich Menschentrauben. Für viele sind es die ersten Informationen zu den Anschlägen.
> 12. September 2001: Die RNZ berichtet über "extrem verschärfte Sicherheitsvorkehrungen" rund um das US-Hauptquartier in der Römerstraße und die amerikanischen Siedlungen. Auch Oberbürgermeisterin Beate Weber sagt den Amerikanern alle erdenkliche Hilfe zu. Die RNZ schreibt über die Ereignisse am Vortag: "Vor dem Nato-Hauptquartier – ebenfalls Hauptquartier der US-Landstreitkräfte und der Siebten Armee in Europa (USAREUR) – in der Römerstraße, wollten angesprochene Soldaten sich nicht zu der Katastrophe äußern. Gegen 17.30 Uhr, als der Feierabendverkehr einsetzte, sah man in den Autos Menschen mit regungslosen und versteinerten Gesichtern sitzen. Zu dem Zeitpunkt war die Militärpolizei bemüht, den ausfahrenden Verkehr so schnell wie möglich abfließen zu lassen." In einer Umfrage drücken Passanten ihre Fassungslosigkeit aus, während die Stadt besonders besorgt ist um 53 ehemalige jüdische Mitbürger, die zu diesem Zeitpunkt in Heidelberg sind, alles Amerikaner, fünf davon aus New York.
> 13. September 2001: Es ist ein Bild mit Symbolkraft, das die RNZ an diesem Tag veröffentlicht. Heidelberger haben vor dem US-Hauptquartier Blumen abgelegt, zu denen sich ein uniformierter Soldat mit Maschinengewehr herunterbeugt. Neben den Beileidsbekundungen sind Straßensperren in der Heidelberger Südstadt ein Thema, aber auch Bombendrohungen eines Trittbrettfahrers an gleich drei Schulen, aufgrund derer das Helmholtz-Gymnasium evakuiert werden musste. Zudem sind Auswirkungen auf den Tourismus zu spüren: Heidelberger Hotels berichten von ersten Stornierungen.
> 14. September 2011: In ganz Deutschland wird am Vortag der Opfer der Anschläge gedacht. Auch in Heidelberg ruht der Verkehr von Bus, Bahnen und Taxis ab 10 Uhr morgens für fünf Minuten. In großen Geschäften wie der Galeria Kaufhof ertönt zum Beginn der Schweigeminuten ein Gong. Zugleich beginnen in der ganzen Stadt, die Kirchenglocken zu läuten. Auch Heidelberger Schulen wollen mit Gedenkstunden, einem Schweigemarsch und einer Menschenkette auf die Attentate reagieren. Doch wenige Tage später ist klar: Der "Heidelberger Herbst" soll stattfinden. Der vorherrschende Tenor nach Tagen der Angst: Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen, sonst haben die Terroristen gewonnen. Doch die entspannte Zeit, in der die Amerikaner zum Deutsch-Amerikanischen Volksfest ins Patrick-Henry-Village einluden, ist endgültig Geschichte.