Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Die Nachricht sorgte in den Berg-Stadtteilen Heidelbergs für Aufregung: Zwei Immobilienunternehmen kaufen insgesamt 433 Wohnungen im Emmertsgrund und auf dem Boxberg, um diese zu sanieren – und dann zu verkaufen. Ein Interview mit Dieter Schwahn, dem Geschäftsführer der Südwert Wohnungsprivatisierungsgesellschaft mbH aus Bietigheim-Bissingen, die mit 355 Wohnungen den Löwenanteil kauft.
Herr Schwahn, das Geschäftsmodell der Südwert ist die "sozialverantwortliche Privatisierung von Mietwohnungsbeständen". Wie geht das?
Wir kaufen die Wohnanlagen, beheben bestehenden Instandhaltungsrückstand und bringen sie energetisch auf einen aktuellen Stand. Dann bieten wir sie zunächst ausschließlich den Mietern zu bevorzugten Konditionen zum Kauf an – mit einer monatlichen Finanzierungsrate, die auf dem Niveau der vorherigen Miete liegt. Wohnungsprivatisierung führt zu Angeboten im unteren Kaufpreissegment. Käufer sind häufig Haushalte mit kleinerem Einkommen und geringem Eigenkapital. Die Wohnungsprivatisierung ist für diese Käuferschicht häufig die einzige wirtschaftlich realisierbare Variante, um zu Wohneigentum zu kommen.
Kauf und Sanierung kosten Sie viele Millionen Euro. Wie rechnet sich das für Ihr Unternehmen?
Wir verfolgen dieses Modell seit Jahren in ganz Süddeutschland erfolgreich. Die niedrigen Zinsen helfen natürlich. In Heidelberg kommt uns zugute, dass der bisherige Besitzer, die GWH Wohnungsgesellschaft, einen soliden Käufer gesucht und nicht den höchstmöglichen Preis abgerufen hat.
Was bedeutet "auf dem Niveau der vorherigen Miete" konkret?
Natürlich muss der Mieter ein wenig Eigenkapital mitbringen. Das ist bei jedem Bewohner etwas anders, aber grundsätzlich soll die monatliche Belastung nicht wesentlich steigen. Wenn der Mieter die Wohnung erwirbt, in der er wohnt, entfallen jedenfalls Umzugs- und Einrichtungskosten! Und der Mieter kann in seinem gewohnten sozialen Umfeld bleiben. Unser Ziel ist, möglichst vielen Mietern den Einstieg ins Wohneigentum zu ermöglichen und sie auf diesem Weg beratend zu begleiten.
Welche Quote an "Mieter-Käufern" streben Sie denn an?
Erfahrungsgemäß kaufen rund 30 Prozent der Mieter. Dazu kommen noch einmal bis zu zehn Prozent Wohnungen, die von mieternahen Käufern wie Eltern, Kindern, Onkeln oder Tanten erworben werden.
Und was passiert, wenn die Mieter oder deren Verwandte nicht kaufen können oder wollen?
Dann wird die Wohnung Kleinanlegern zum Kauf angeboten, die die Wohnung als Altersvorsorge erwerben. Eine Eigenbedarfskündigung wird vertraglich ausgeschlossen – auch für Weiterverkäufe. Der Mieter bleibt also in seiner Wohnung, solange er möchte.
Der neue Käufer kann aber die Miete erhöhen, sodass der Mieter sich die Wohnung nicht mehr leisten kann.
Natürlich kann ein Käufer langfristig die Miete anpassen. Aber das würde ja jeder Eigentümer tun – ob die GWH, die Südwert oder ein Einzeleigentümer. Wir haben über 8000 Wohnungen privatisiert, und unsere Erfahrung ist: Privateigentümer sind bei Mieterhöhungen sehr zurückhaltend. Denen sind ein gutes Mietverhältnis und ein solider Mieter wichtiger.
377 von den 433 Wohnungen, die die Südwert und die Schwäbische Grundbesitz erwerben, sind gefördert. Nun zahlen Sie die Landesförderdarlehen zurück, wodurch die Bindung Ende 2028 ausläuft. Was bedeutet das für die Mieter dieser Sozialwohnungen?
Ab 1. Januar 2029 brauchen Mieter keinen Wohnberechtigungsschein mehr. Diese Wohnungen können dann an jeden vermietet werden, ohne Einkommensnachweis. Und die Wohnung kann sukzessive der Marktmiete angepasst werden. Aber wir sprechen da über Zeiträume von mindestens 15 Jahren. Es ist ja gesetzlich vorgegeben, dass die Miete alle drei Jahre um höchstens 15 Prozent erhöht werden darf.
Da werden viele Mieter an und über ihre Grenzen hinaus kommen.
Das kommt immer auf den Einzelfall an. Man kann ja auch davon ausgehen, dass der Mieter in aller Regel sein Einkommen mit der Zeit steigern kann. Zudem gibt es ja staatliche Hilfen wie etwa das Wohngeld.
Also ist Ihre Erfahrung, dass die Mieter der von Ihnen privatisierten Wohnungen auch nach dem Verkauf Ihrer Mietwohnungen an Kleinanleger noch lange in Ihren Wohnungen bleiben?
Ja. Unsere Fluktuationsquoten sind ähnlich wie im Durchschnitt der gesamten Wohnungswirtschaft in Baden-Württemberg – bei etwa fünf bis acht Prozent (Anm. d. Red.: Fünf bis acht Prozent der Mietwohnungen eines bestimmten Wohnungsbestands werden pro Jahr gekündigt).
Welche Sanierungen planen Sie?
Wir dämmen die Fassade, das Dach und die Kellerdecken und machen die Fenster neu. Es ist eine energetische Sanierung nach KfW-85-Standard.
Sie gestalten auch die Außenanlagen neu. Was ist da genau geplant?
Bei der großen Wohnungsanlage im Emmertsgrund mit 307 Wohnungen hat die GWH die Tiefgarage saniert, die Außenanlage obendrauf aber eher dürftig instandgesetzt. Das wollen wir freundlich gestalten, in enger Abstimmung mit den Bewohnern und der Stadt.
Die Wohnungen gehen zum 31. Dezember 2020 in Ihren Besitz über. Wann werden die Wohnungen den Mietern zum Kauf angeboten?
Erst, wenn alles saniert ist, also wahrscheinlich ab 2023. Der Verkauf an Nicht-Mieter beginnt frühestens 2024.
Bei manchen Mietern und Stadträten hat dieser "Immobiliendeal" Befürchtungen ausgelöst. Verstehen Sie das?
Natürlich ist das ein sensibles Thema. Aber wir stehen dafür, dass unser sozial verträgliches Modell auf die Erhaltung der Sozialstruktur ausgerichtet ist und diese im besten Fall mit einer hohen Erwerbsquote von Mietern sogar verfestigen kann. Niemand muss vor uns Angst haben. Wir werden den Heidelbergern beweisen, dass wir das können und diese Fortentwicklung der Wohnanlagen für alle ein Gewinn ist.
Letzte Frage: Was haben Sie eigentlich für die Wohnungen bezahlt?
(lacht) Das kann ich Ihnen nicht verraten. Aber so viel kann ich sagen: Die Schwäbische Grundbesitz und wir werden rund 16 Millionen Euro in die Sanierung investieren. Damit das ganze Modell funktioniert, kann der Kaufpreis also nicht so hoch gewesen sein.
Südwert-Chef Dieter Schwahn. Foto: pr