Heidelberg

Was die Nutzer von einem Ankunftszentrum erwarten

Bürgerinitiative diskutierte mit Regierungspräsidium, Ärztin und Seelsorger - Sicherheit, Kontakte und Platz als wichtigste Faktoren

07.03.2021 UPDATE: 08.03.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden
Das Gewann „Wolfsgärten“ bei Heidelberg-Wieblingen. Foto: Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Wo soll das Land sein neues Ankunftszentrum für Geflüchtete bauen? Um diese Frage wird es beim Bürgerentscheid am 11. April gehen. Das Bündnis, das diese Abstimmung initiiert hat und eine Verlagerung auf die Wolfsgärten verhindern will, ging nun bei einer Online-Diskussion einen Schritt zurück: Am Donnerstagabend ging es um die Frage, wie ein neues Zentrum aussehen sollte. Dazu hatte Moderatorin Sigrid Zweygart-Peréz drei verschiedene Akteure zu Gast, die für die Abläufe in der Einrichtung zentral sind: Einen Vertreter des Regierungspräsidiums Karlsruhe (RP), das das Ankunftszentrum betreibt, eine Ärztin sowie einen Seelsorger.

> Der Betreiber: Matthias Seeger arbeitet beim RP und ist seit einem Jahr im Leitungsteam des Ankunftszentrums. Mit dem jetzigen Zentrum ist er sehr zufrieden. In Patrick-Henry-Village (PHV) habe man erstmals die Behörden von Bund und Land verzahnt und die Verweildauer auf durchschnittlich sechs bis acht Wochen drücken können. "Das ist ein sehr effizientes System", sagt er stolz.

Wenn die Anlage neu errichtet werde, sei aus Sicht des RPs wichtig, dass diese Funktionalität erhalten bleibe. Er betont, dass die Menschen nur relativ kurze Zeit im Zentrum verbringen: "Es geht um die Ankunft, nicht ums Wohnen." Wichtig sei jedoch, dass die Einrichtung auch in Zukunft groß genug sei, um alle Angebote unterzubringen – und die Bewohner in kleineren Gruppen unterzubringen. Denn: "Auch perspektivisch wird uns der Gedanke an eine potenzielle Pandemie begleiten." Wie viel Platz man dafür brauche, könne Seeger nicht genau sagen. Für 3500 Plätze, die das Land im Idealfall einrichten möchte, seien vermutlich zehn Hektar nötig, bei geringerer Kapazität entsprechend weniger. Auf den Wolfsgärten sei diese Größenordnung nicht machbar, da müsse man Abstriche machen. Dennoch betonte Seeger, dass man sehr froh sei, "dass uns Heidelberg mit den Wolfsgärten ein Angebot gemacht hat, wie wir in Heidelberg bleiben können".

> Die Ärztin: Dr. Peta Becker von Rose war vor fünf Jahren eine der Ehrenamtlichen der ersten Stunde in PHV. Die ehemalige Hausärztin hat gemeinsam mit Kollegen und der Uniklinik die Ambulanz für die Geflüchteten aufgebaut. Mittlerweile sei man dort vorbildlich aufgestellt: "Besser kann es medizinisch kaum laufen."

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Während sich Seeger nicht konkret zur Qualität möglicher Standorte äußert, hält Becker von Rose mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg: "Die Wolfsgärten sind ein Unort", findet sie. Dort wären die Bewohner "eingepfercht" zwischen Gleisen und Autobahn. Dabei bräuchten sie einen Ort, an dem sie willkommen seien: "Die Menschen sind keine Bittsteller, sie haben ein Recht, hier zu sein." Als Ärztin bekomme Becker von Rose mit, dass die Asylsuchenden "eigentlich alle" traumatisiert seien. Für sie ist deshalb in einem künftigen Zentrum Platz der wichtigste Faktor. Es müsse Raum geben für Sprachkurse, Kinderbetreuung, Bildungsangebote und Freizeitflächen: "Die Kinder müssen spielen können, die Erwachsenen brauchen Bewegungsfreiheit."

> Der Seelsorger: Auch Jochen Winter arbeitet seit fünf Jahren in PHV. Er ist als katholischer Seelsorger für Menschen aller Religionen zuständig. Zu ihm und seiner evangelischen Kollegin Zweygart-Peréz kämen vor allem die "komplizierten Fälle": Menschen mit psychischen Probleme, Menschen, bei denen sich das Verfahren zieht, Minderjährige.

Wenn das Zentrum neu gebaut werde, sei das wichtigste, dass es von den Bewohnern als sicher empfunden werde. "Sicherheit ist das, was diese Menschen suchen. Deshalb sind sie von zu Hause weg." Das bedeute auch, dass man sein Zimmer absperren und seine Wertsachen wegschließen könne. "Das ist bislang nicht der Fall."

Während er versteht, dass das RP den Fokus auf die Funktionalität legt, hat Winter andere Prioritäten: "Die Frage ist: Was ist menschlich geboten? Das sind zweierlei Dinge", so der Pfarrer. Dazu gehörten auch Orte, "wo man ganz zweckfrei Spaß haben kann". Viele Bewohner hätten schreckliche Erlebnisse hinter sich. "Sie glauben gar nicht, was da schon ein Konzert auslösen kann." Winter betonte zudem die Bedeutung, die der Kontakt zur einheimischen Bevölkerung für die Asylsuchenden hat. Er wünscht sich deshalb eine Art "Schleuse", einen Bereich am Rand, zu dem auch Gäste Zutritt haben. Dort könnte es etwa ein Café geben oder Kulturveranstaltungen für Heidelberger und Bewohner.

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