Der Biologe Wolfgang Bittmann kritisiert die Baumfällungen im Handschuhsheimer Feld. Dabei seien die Bäume oft noch gesund. Fotos: Karin Katzenberger-Ruf
Von Karin Katzenberger-Ruf
Heidelberg-Handschuhsheim. Kerngesund sieht das Holz der Kirschbäume aus. Doch es sind nur noch Stümpfe übrig. Wolfgang Bittmann, Biologe und Mitglied des Vereins "Handschuhsheimer Feldkultur", bedauert den Kahlschlag von altem Obstbaubestand im Handschuhsheimer Feld. In einem Gewann östlich der Kleingartenanlage seien in den letzten Wochen zahlreiche Bäume gefällt worden. Ganz legal.
Im Feld gilt die städtische Baumschutzverordnung nicht. Auf Flächen, die für den Erwerbsanbau genutzt werden, darf sogar während der Vegetationsperiode (also nicht nur zwischen November und März) abgeholzt werden. Auf dem besagten Grundstück wächst aber nur Gras. Trotzdem fielen die ersten Bäume schon im Herbst. Aufmerksame Nachbarn, Spaziergänger und auch der städtische Naturschutzbeauftragte Karl-Friedrich Raqué haben das mitbekommen, und jetzt versucht man, die Grundstücksbesitzer wegen der Fällarbeiten außerhalb der erlaubten Zeit zu Nachpflanzungen zu verpflichten.
Der Verein „Handschuhsheimer Feldkultur“ möchte die Pächter für die ökologische Nutzung sensibilisieren: Die Pflanzen sind schließlich Lebensraum für viele Tiere. Fotos: Karin Katzenberger-RufDie Bäume sind auch für den Erhalt der Artenvielfalt wichtig. Die zu erhalten, ist für Bittmann eine Herzensangelegenheit. Sie ist neben dem Obst- und Gemüseanbau Garant dafür, dem "Entwicklungsdruck" von den Rändern her entgegenzuwirken. Bittmann kennt sich mit dem "Lebensraum Baum" aus. Er ist Mitautor von Schautafeln im Feld, die schon vor vielen Jahren unter Regie des Landschafts- und Forstamts aufgestellt wurden. "Interessante Vogelwelt" lautet die Überschrift einer Tafel an einer Kreuzung im Mittelfeldweg. Dort werden Vogelarten beschrieben, die vor Ort gar nicht mehr oder nur noch sehr selten anzutreffen sind. Die "Feldlerche" gehört dazu, weshalb der Naturschutzbund (Nabu) sie 2019 zum "Vogel des Jahres" kürte.
Bittmann weiß, wo man im Feld die Nachtigall singen hören kann. Sie sitzt in Bäumen und Büschen jenes Streifens zwischen den Feldern in der Nähe des Sportzentrums Nord. Kann man das Biotop erhalten, obwohl ein landwirtschaftlicher Großbetrieb aus Ladenburg dort große Ackerflächen gepachtet hat? Das muss das Umweltamt entscheiden. Zumindest alte Bäume, in denen sich Bruthöhlen für Vögel gebildet haben, dürfen nicht so einfach gefällt werden; sie sind aber mittlerweile im Feld rar geworden – und Nachpflanzungen gibt es kaum.
Das Handschuhsheimer Feld ist zu etwa zwei Dritteln in städtischem und kirchlichem und zu einem Drittel in privatem Besitz, erklärt Heinrich Schröder, Vorsitzender des örtlichen Obst- und Gartenbauvereins (OGV). Der OGV hat in jüngster Zeit viele Aktionen gestartet, um seine Mitglieder und die Bevölkerung darüber aufzuklären, was der Natur gut tut und was man beispielsweise gegen das Insektensterben tun kann. So hat Alexander Weigold, ein junger Gärtner, der auf einem Grundstück gerade mehrere alte Obstbaumsorten gepflanzt hat, alles richtig gemacht.
Auch Bittmanns Garten hat Vorbildcharakter. Dort stehen alte Apfel- und Nussbäume, junge Mirabellen-, Sauerkirsch- und Reneclaudenbäumchen. Auf einer Fläche von über 2000 Quadratmetern wachsen viele Blumen und Kräuter. Steinerne Beete oder einfache Steinhaufen laden Eidechsen zum Brüten ein. Ein Insektenhotel gibt es ebenfalls. "Ich wünsche mir einfach mehr Bewusstsein für die Belange im Feld, um es in seiner Struktur erhalten zu können", so der Biologe. Es sei absolut wünschenswert, die Baumschutzsatzung auf das Handschuhsheimer Feld auszudehnen und damit die städtische Strategie der Förderung von Streuobstbäumen zu unterstützen.
Der Verein "Handschuhsheimer Feldkultur" hat es sich zur Aufgabe gemacht, brach liegende Grundstücke zu vermitteln und die neuen Käufer oder Pächter für eine Nutzung unter ökologischen Vorzeichen zu sensibilisieren. Nur sind seit der Vereinsgründung vor vielen Jahren solche Grundstücke in der Ebene Mangelware. In Hanglage läuft die Vermittlung besser.