Carmen Dudenhöffer und Marcel Koch hatten mit ihren Kindern Julien, Maria und Luca Glück: Sie gehörten vor drei Jahren zu den ersten Bewohnern des Mark Twain Village in der Südstadt. Doch viele junge Familien suchen jahrelang nach einer Wohnung. Archivfoto: Rothe
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Ausgerechnet Familien mit kleinen Kindern trifft der katastrophale Heidelberger Wohnungsmarkt am meisten. Viele von ihnen wohnen in Wohnungen, die ihren Bedürfnissen nicht entsprechen, empfinden ihre Miete als zu hoch und suchen monate- oder gar jahrelang nach einem neuen Heim. Das ist eines der Kernergebnisse der Heidelberg-Studie 2018, die am Montag bei einer Pressekonferenz im Rathaus vorgestellt wurde.
Dieses Jahr machten Stadt und Forschungsgruppe Wahlen das Thema Wohnen zum Schwerpunkt der repräsentativen Umfrage. Zurecht, denn bei der Frage nach den wichtigsten Problemen Heidelbergs landet dieses Thema seit Jahren auf Platz 2 - hinter dem Dauerbrenner Verkehr (s. Artikel links). Dieses Mal nannten mit 31 Prozent noch einmal deutlich mehr Befragte als sonst - und damit so viele wie nie - Wohnungsmarkt und Mieten als wichtigstes Problem (2017: 22 Prozent; 2016: 19 Prozent).
Ein Überblick über die Ergebnisse der Studie zum Wohnen in Heidelberg:
> Wie angemessen finden Mieter ihre Miethöhe? Auf den ersten Blick klingt es gut: 70 Prozent der Mieter finden die Miete für die eigene Wohnung "im Großen und Ganzen angemessen". Doch unterscheidet sich der Wert stark nach der Haushaltsgröße: Während 82 Prozent der allein Wohnenden ihre Miete okay finden, sind es bei den Haushalten ab vier Personen nur noch 57 Prozent. Dazu passt auch, dass Menschen in Haushalten ohne Kinder ihre Miethöhe eher akzeptabel finden (66 Prozent) als jene mit Kindern im Haus (71 Prozent). Auffällig ist auch die Alters-Schere: Unter den 16- bis 29-Jährigen finden nur 55 Prozent ihre Miete angemessen, bei den über 60-Jährigen dagegen 87 Prozent. Die Daten legen folgende Schlussfolgerung nahe: Junge Familien zahlen häufiger Mietpreise, die zumindest sie selbst für unangemessen hochhalten.
> Wirkt die Mietpreisbremse? Die Studie zeigt: Je länger jemand in seiner aktuellen Wohnung lebt, desto eher findet er seine Miete angemessen (über 20 Jahre: 81 Prozent; unter 10 Jahren: 67 Prozent; unter 2 Jahren: 52 Prozent). Und nur 39 Prozent der Mieter, die seit höchstens zwei Jahren in ihrer Wohnung leben, sagen, sie kämen mit ihrer Mietbelastung gut zurecht (alle Mieter: 62 Prozent). Erster Bürgermeister Odszuck folgert: "Die Zahlen verdeutlichen, dass die Mietpreisbremse nicht die gewünschten Effekte erzielt. Bei Neuvermietungen wird offensichtlich weiter an der Preisschraube gedreht."
> Wer sucht Wohnung oder Haus - und wie lange? 16 Prozent aller Befragten suchen aktuell eine neue Bleibe - zur Miete oder zum Kauf. Besonders krass: Unter den 30- bis 39-Jährigen ist mehr als jeder Dritte (36 %) auf der Suche. Noch weiter steigt die Zahl bei den Befragten in Haushalten mit zwei Kindern: 38 Prozent von ihnen wollen aktuell umziehen. Nimmt man jene hinzu, die nicht aktuell suchen, sondern in den vergangenen fünf Jahren auf der Suche waren, sind es in dieser Gruppe sogar 67 Prozent. "Junge Familien sind besonders häufig auf der Suche", sagt Annette Mayer von der Forschungsgruppe Wahlen. "Und sie haben es noch schwerer als andere, weil das Angebot für sie offensichtlich stark begrenzt ist." Die Zahlen zeigen klar: Wer Kinder hat, sucht deutlich länger. Während 65 Prozent der Befragten ohne Kinder binnen eines halben Jahres ihre neue Bleibe fanden, sind das bei Familien nur 38 Prozent. Mehr als jeder vierte Befragte aus Haushalten mit vier oder mehr Personen gab sogar an, über zwei Jahre (!) gesucht zu haben.
> Wie stark ist der Ansturm auf Heidelberg? Ungebrochen. Es herrscht aber große Bewegung auf dem Wohnungsmarkt. "Jedes Jahr verlassen 17.000 Menschen die Stadt und mindestens ebenso viele ziehen her, das sind rund zehn Prozent der Einwohner", sagt Oberbürgermeister Eckart Würzner. Bis 2035 wird Heidelberg um rund 25.000 Einwohner wachsen. Allerdings, so Annette Mayer: "Die Heidelberger orientieren sich bei der Wohnungssuche stärker ins Umland." Während von jenen, die in den letzten fünf Jahren auf der Suche waren, noch 95 Prozent in Heidelberg und 23 Prozent (zumindest auch) im Umland suchten, schauen sich unter den aktuell Suchenden noch 87 Prozent in Heidelberg um - und 45 Prozent (zumindest auch) im Umland. "Auch das hat mit dem engen Wohnungsmarkt in Heidelberg zu tun", so Mayer.
> Wie viele Haus- oder Wohnungsbesitzer gibt es in Heidelberg? 37 Prozent der Befragten wohnen im Eigentum - jeder fünfte davon hat das Eigenheim geerbt. Besonders hoch ist die Eigentumsquote im Osten: In Schlierbach und Ziegelhausen leben 64 Prozent in den eigenen vier Wänden.