Von Leon Zorn
Heidelberg. Da es der Politik bislang nicht gelungen sei, der Klimakrise angemessen zu begegnen, baut die Heidelberger Studentin Johanna Jetter seit Oktober 2019 mit jungen Erwachsenen aus ganz Deutschland die Initiative "Klima-Mitbestimmung Jetzt" auf. Durch eine Petition soll ein bundesweiter Bürgerrat ins Leben gerufen werden. Die 22-Jährige hat vor Kurzem ihren Bachelor in Psychologie abgeschlossen und wird im Herbst ihren Master beginnen. Im Interview mit der RNZ erzählt sie mehr über ihre Initiative und weshalb ein Bürgerrat auch hier in Heidelberg sinnvoll wäre.
Frau Jetter, wie kam Ihre Initiative zustande?
Alles begann mit dem großen Klimastreik 2019: 1,4 Millionen Menschen auf der Straße, so viele Menschen, die mit Herzblut hinter der Sache stehen. Dann verkündet die Politik das Klimapaket – und es ist eine große Enttäuschung. Ein erster Schritt, der aber niemals zu großen Veränderungen führen wird, die notwendig sind, um unser Klima zu retten. Wir sind 15 junge Menschen, die sich im Gedanken zusammenfanden, dass es so nicht weitergehen kann.
"Klima-Mitbestimmung Jetzt" habt ihr euch genannt – was ist das Ziel?
Wir möchten, dass die Bundesregierung einen bundesweiten Bürgerrat zur Klimapolitik einberuft. Dazu haben wir eine Petition gestartet, die gerade geprüft wird. Ab Ende Oktober startet die Unterschriftensammlung. Wir haben vier Wochen Zeit für ein Quorum von 50.000 Stimmen.
Was genau hat es mit diesem Bürgerrat auf sich?
Aus etwa 30.000 zufällig ausgewählten deutschen Bürgerinnen und Bürgern soll sich eine Stichprobe von 100 bis 150 Personen ergeben, die idealerweise die Vielfalt der Gesellschaft repräsentiert. Das sind dann normale Leute, verschieden alt, konservativ oder liberal, aus der Stadt oder vom Land. Über mehrere Wochen erhalten sie Informationen von unabhängigen Experten zum Thema und diskutieren. Am Ende werden Handlungsempfehlungen ausformuliert und an die Regierung weitergegeben. Diese verpflichtet sich idealerweise im Vorhinein dazu, die Vorschläge zu berücksichtigen und in ihre Politik einzubinden.
Habt ihr euch das Konzept überlegt?
Zum Glück mussten wir das nicht. Bürgerräte gibt es schon seit langem, doch erst in den letzten Jahren wurden sie in Europa wiederentdeckt. Vorreiter ist Irland, wo ein Bürgerrat beispielsweise die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert hat. In Frankreich gab es vor kurzem sogar einen zur Klimapolitik. Die Regierung versprach, jede einzelne Empfehlung des Gremiums zu überprüfen – von 149 Vorschlägen wurden nur drei abgelehnt. Ein tolles Ergebnis, das wir uns auch für Deutschland erhoffen.
Gab es das in Deutschland noch nie?
Letztes Jahr wurde tatsächlich ein "Bürgerrat Demokratie" ausgerufen. Allerdings ohne politisches Mandat. Die Handlungsempfehlungen, die an die Politik übergeben wurden, wurden bisher noch nicht umgesetzt. Das Konzept geht auf – aber nicht ohne die Politik.
Was ist also konkret zu tun, damit das in Deutschland funktioniert?
Die Politik muss mitbekommen, dass die Bevölkerung einen Bürgerrat wirklich will. Und damit die Bevölkerung das will, muss sie erst einmal davon wissen. Vor einem Jahr, als das Projekt gegründet wurde, hatte ich keine Ahnung, was ein Bürgerrat ist. Ich war überaus skeptisch, bis ich verstand, was dadurch in anderen Ländern bereits bewegt werden konnte. Damit viele Menschen davon erfahren, bauen wir nun ein Netzwerk auf. Wir reden mit Gewerkschaften, Politikern, der Kirche – nötig ist ein breites Bündnis. Ganz Deutschland soll mitbekommen, was wir erreichen wollen.
Was passiert, wenn Sie genug Unterschriften gesammelt haben?
Es geht dann zur Bundesregierung, der wir damit sagen können: "Das ist das, was Deutschland für eine fortschrittliche Klimapolitik braucht." Sicherlich lässt sich dadurch nicht die komplette Krise stoppen. Doch immerhin wäre es ein Schritt in die richtige Richtung.
Wieso starten Sie als eigene Initiative? Wieso wurde nicht gleich mit dem Netzwerk von großen Bewegungen wie Fridays for Future angefangen?
Die Personen hinter Fridays for Future gehen mit bestimmten Zielen für die Klimapolitik auf die Straße, bis die Politik sie beachtet. Das passt nicht zu unseren Beweggründen. Mit dem Bürgerrat wollen wir als Initiative keine spezifischen Forderungen umsetzen. Wir wollen, dass ein Querschnitt der Bevölkerung mobilisiert wird, um selbst Vorschläge für die Regierung zu erarbeiten. Trotzdem hoffen wir natürlich, dass dadurch ein Fortschritt bewirkt wird.
Wie kann man Sie unterstützen?:
Aktuell ist es am wichtigsten, unsere Idee zu verbreiten. Ab Ende Oktober freuen wir uns dann über jede Stimme für unsere Petition. Dazu wächst unserem kleinen, ehrenamtlichen Team die ganze Arbeit langsam über den Kopf. Daher freuen wir uns über jede helfende Hand.
Denken Sie, auch hier in Heidelberg wäre ein lokaler Bürgerrat zur Klimapolitik sinnvoll?
Das wäre eine wunderbare Sache. Unsere Initiative fordert zwar einen bundesweiten Bürgerrat. Aber nicht alle Änderungen müssen von oben kommen. Auch von den Städten selbst sind Maßnahmen für Klimaschutz nötig. Nichts spricht gegen lokale Bürgerräte, in Konstanz wird aktuell bereits ein solches Gremium gestartet. Wenn jemand in Heidelberg Interesse hätte, so etwas zu etablieren, kann man sich gerne an uns wenden. Wir werden helfen, wo wir nur können.