Bürgermeister Wolfgang Erichson (Mitte) überreichte die Einbürgerungsurkunden an Allison Kraft und Mohammed Khalil Mohammed Issa. Foto: Philipp Rothe
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Sie sind zwei von 368 Menschen im Jahr 2018 in Heidelberg: Allison Kraft und Mohammed Issa haben sich einbürgern lassen und erhielten jetzt im Palais Graimberg ihre Urkunde aus der Hand von Bürgermeister Wolfgang Erichson. Beide stehen für ganz besondere Verhältnisse. "Ihre Einbürgerung spiegelt aktuelle Entwicklungen wider", erklärte Erichson. Zum Beispiel den Brexit: 49 Briten haben 2018 in Heidelberg die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, 33 von ihnen konnten eingebürgert werden.
Allison Kraft, Chefin im Hotel und Restaurant Hirschgasse, lebt schon seit 35 Jahren in Deutschland und wollte endlich wählen gehen. In England darf sie das nicht mehr, wenn sie länger als fünf Jahre außer Landes lebt. Und mit vier inzwischen erwachsenen Kindern hatte sie sowieso immer ganz andere Dinge zu tun. "Meine Frau kommt aus dem Land der Suffragetten", lachte Ernest Kraft bei der Einbürgerungszeremonie, "da ist Wählen ein wichtiger Punkt."
Der Brexit gab den letzten Anstoß zur Entscheidung, zumal Allison Kraft jetzt noch ihren britischen Pass behalten kann. Das ist ab 31. März vermutlich anders, wenn Großbritannien nicht mehr zur EU gehört. Etwa 70 Engländer haben sich in Heidelberg seit dem Brexit-Beschluss einbürgern lassen, und die Entscheidung am 15. Januar im britischen Parlament hat gleich fünf weitere Anrufe im Rathaus ausgelöst. Immerhin: In Heidelberg leben mehr als 700 Briten.
Mohammed Khalil Mohammed Issa, Assistenzarzt an der Neurochirurgischen Universitätsklinik, ist in Bethlehem geboren und war damit staatenloser Palästinenser. Sein Travel Document, von den palästinensischen Behörden ausgestellt und von Israel genehmigt, braucht er auch als deutscher Staatsbürger, wenn er in seine Heimat, zu seiner Familie reisen will. Deutscher wird er dort nicht sein, er wird immer als Palästinenser behandelt werden, und im Ernstfall darf ihm die Bundesrepublik nicht einmal helfen.
Dennoch ist er jetzt sehr glücklich mit seinem neuen Status. Deutschland ist für ihn das Land, das ihn aufgenommen hat, in dem er sich wohlfühlt und in dem sein Leben super läuft. "Eine Erfolgsgeschichte, wie wir sie den Menschen immer zeigen wollen", meinte Bürgermeister Erichson.
Der 27-jährige Mediziner lernte schon als Schüler in Bethlehem Deutsch. Vor neun Jahren kamen Rainer und Inge Gareis aus Offenbach und boten dem damals 18-Jährigen an, ihn nach Deutschland zu holen und ihm ein Studium zu ermöglichen. Er absolvierte es in München; Chirurg zu werden, war von Anfang an Issas Wunsch. "Er hat alles in Minimalzeit geschafft, jede Prüfung auf Anhieb", sagen die Gasteltern begeistert und sind froh, dass alles so gut gelaufen ist und Mohammed Issa sich so gut eingelebt hat. Er spricht perfekt Deutsch und fühlt sich als Deutscher, auch wenn er seine Wurzeln in Bethlehem beibehalten will, wo Familie und Freunde leben. In Heidelberg hat für ihn sein "drittes neues Leben" begonnen.
Heidelberg sieht sich als Stadt der Vielfalt, der Toleranz und der Chancengleichheit, in der rund 160.000 Menschen aus etwa 180 Nationen leben. Etwa 56.000 von ihnen sind Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte. Integrationsbürgermeister Wolfgang Erichson wartet jetzt schon darauf, dass er den ersten Flüchtling einbürgern kann. Nach acht Jahren rechtmäßigem Aufenthalt und bestandenem Einbürgerungstest ist das möglich, wenn jemand seinen Lebensunterhalt selbst bestreitet, ausreichend Deutsch spricht, nicht wegen einer Straftat verurteilt wurde und ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ablegt.