Weniger Autoverkehr und stattdessen mehr Busse und Bahnen – dieses Zukunftsszenario soll der „Mobilitätspass“ fördern. Foto: Rothe
Von Philipp Neumayr
Mehr Menschen sollen künftig auf den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) umsteigen. Dieses Ziel hat sich die Stadt Heidelberg mit dem "Klimaschutzaktionsplan" gesetzt, den der Gemeinderat im Herbst 2019 beschlossen hat. Doch mehr Nachfrage erfordert auch mehr Angebot. Wie kann man das finanzieren? Um das zu beantworten, prüfen Stadt und Land verschiedene Optionen. Eine ist der sogenannte Mobilitätspass, der nun im Bau- und Umweltausschuss vorgestellt wurde.
"Mobilitätspass" – was ist das? Das Land Baden-Württemberg beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV. Diese werden zusammengefasst unter dem Namen "Mobilitätspass". Nach einer ersten Grundlagenuntersuchung wurden entsprechende Instrumente und ihre Umsetzbarkeit anhand von Modellkommunen beziehungsweise Modellregionen erprobt. Neben Stuttgart, Tübingen und Bad Säckingen zählten dazu auch die beiden Städte Mannheim und Heidelberg. Die Ergebnisse liegen nun vor.
Was sind die Ziele? Der "Mobilitätspass" soll dazu beitragen, die Fahrgastzahlen im ÖPNV im gesamten Bundesland bis 2030 zu verdoppeln. Er soll die Kommunen beim Ausbau des ÖPNV langfristig unterstützen und gleichzeitig Menschen zum Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen bewegen.
Welche Arten des "Mobilitätspass" gibt es? Der "Mobilitätspass" basiert auf drei Modellen, zum Ersten dem "Bürgerticket". In diesem Fall zahlen Einwohnerinnen und Einwohner eines bestimmten Gebiets eine verpflichtende monatliche Abgabe. Im Gegenzug erhalten sie die Möglichkeit, den ÖPNV günstiger oder kostenfrei zu nutzen. Gleiches gilt bei Modell zwei, der "Nahverkehrsabgabe". Hier sind es Kfz-Halterinnen und -Halter, die eine solche Abgabe zahlen. Und drittens die sogenannte City Maut: Kfz-Halter zahlen dabei für die Nutzung bestimmter Straßen.
Was wurde für Heidelberg und Mannheim getestet? Die Städte Mannheim und Heidelberg wurden als eine Modellregion betrachtet, losgelöst vom allgemeinen Verkehrsverbund Rhein-Neckar. Für beide Städte – also rund 475.000 Einwohner – hat das Land anhand mehrerer Modellrechnungen unterschiedliche Varianten eines "Mobilitätspasses" geprüft.
Was sind die Ergebnisse? Nach den Berechnungen des Landes wäre ein "Mobilitätspass" für alle Einwohner – sie könnten den ÖPNV im Gegenzug zum Nulltarif nutzen – mit einer Abgabe von 30 Euro pro Kopf und Monat zu finanzieren. Müssten dagegen Kfz-Halter zahlen, würde die Abgabe mindestens 40 Euro betragen. In beiden Fällen könnten mit diesem Geld allerdings nur die anfallenden Kosten des ÖPNV gedeckt werden. Ein Nachteil dieses Modells wäre, dass es allein Mannheimern und Heidelbergern für die ÖPNV-Nutzung in beiden Städten zur Verfügung stünde. Da der Großteil der Einpendler nach Heidelberg – 2019 waren das rund 62.000 Menschen – aber aus dem Rhein-Neckar-Kreis kommt, gäbe es für diese Menschen mit diesem Ticket keinen Anreiz, vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr zu wechseln.
Was sind die Diskussionspunkte? Das Ergebnis sei "erfrischend konkret", sagt Bürgermeister Jürgen Odszuck. Im "Mobilitätspass" steckten einige Chancen für die künftige Aufstellung des ÖPNV. Auch Bernd Zieger ("Die Linke") begrüßte die Möglichkeit einer solchen Abgabe. Er und seine Fraktionskollegin Sahra Mirow fragten jedoch, warum in den Berechnungen des Landes nicht vorgesehen sei, auch Unternehmen in die Finanzierung mit einzubinden, wie es etwa in Frankreich der Fall ist. Dort funktioniere das "wunderbar", so Mirow. Für Christoph Rothfuß (Grüne) macht ein "Einwohnerticket" nur Sinn, wenn es für den gesamten Rhein-Neckar-Kreis gilt. Er und Stadtrat-Kollege Sören Michelsburg (SPD) sprachen sich zudem dafür aus, auch das 365-Euro-Ticket in diesem Zusammenhang noch einmal in die Überlegungen aufzunehmen.
Wie könnte der "Mobilitätspass" in Heidelberg umgesetzt werden? Dafür müsste eine Abgabe auf kommunaler Ebene eingeführt werden. Sie wird durch die Abgabensatzung einer Kommune bestimmt. Die entsprechende gesetzliche Grundlage, eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes des Landes, wird derzeit vorbereitet. Doch noch sind einige Fragen unbeantwortet, etwa wie sich die Einbindung des Umlandes auf die Höhe einer Mobilitätsabgabe auswirken würde. Derlei Berechnungen müsste die Stadt selbst vornehmen. Welches Modell letztlich am geeignetesten ist und welchen Raum es umfassen soll, sei Teil der politischen Diskussion, erklärte Christoph Erdmenger vom Verkehrsministerium des Landes, der die Ergebnisse im Umweltausschuss vorstellte. Diese Diskussion wurde erst einmal vertagt – in den kommenden Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität. Aus Sicht des Landes, sagte Erdmenger, sei die Einführung einer ÖPNV-Abgabe in Heidelberg jedenfalls "sehr gut machbar".