Regina Kaiser-Götzmann stampfte coronabedingt einen Bücher-Lieferdienst aus dem Boden. Foto: Hentschel
Von Joris Ufer
Heidelberg. Der lokale Buchhandel hat mit Problemen zu kämpfen. Seit Jahren lässt die Konkurrenz aus dem Internet die Umsätze einbrechen, was sich im Zuge der Corona-Pandemie noch weiter verschärft hat. Die Händler versuchen, dem mit eigenen Lieferdiensten zu begegnen. Trotzdem übersteht nicht jeder Laden die Krise, und auch das Weihnachtsgeschäft läuft nicht wie in den Jahren zuvor.
Seit mehr als 70 Jahren gab es in der Plöck die "Fremdsprachenbuchhandlung Wetzlar". In Heidelberg galt sie vielen als Institution, doch seit kurzem sind die Räumlichkeiten verwaist. Stefan Gude hatte den Laden erst im April vom Vorbesitzer übernommen – ein schweres Erbe zu Beginn einer Pandemie. "Die Sprachkurse haben nicht mehr stattgefunden", konstatiert er. "Vorher haben die Dozenten den Studenten gesagt: Geht in diesen Laden, dort kriegt ihr die Bücher." Zudem sei die internationale Kundschaft weggebrochen.
Nachdem abzusehen gewesen sei, dass die Universität auch im Winter nicht mehr zur Präsenz übergehen würde, habe er sich dann entschieden, zu schließen, um nicht noch mehr Verluste zu machen. Derzeit arbeite er daran, die Fremdsprachenbuchhandlung in einen Onlineshop umzubauen. "Wir wollen versuchen, die Ladenspezialisierung ins Internet zu transportieren", sagt Gude. "Das setzt aber den Aufbau einer guten Struktur voraus, um eine annähernd gleiche Kompetenz auch in einem Online-Geschäft gewährleisten zu können." Wann die Website fertig sein werde, sei deshalb noch nicht abzusehen.
Kathrin Heim ist Mitinhaberin und Filialleiterin der Buchhandlung "Schmitt & Hahn" in der Hauptstraße. Als der erste Lockdown losging, stand sie auf einmal allein zwischen den Regalen. "Ich habe vorher noch nie in meinem Laden geweint, aber an dem Tag war es so", berichtet sie. Trotzdem sei sie Tag für Tag gekommen, um die Kunden am Telefon zu beraten und einen Lieferdienst auf die Beine zu stellen. Bald darauf habe sie dabei ein junger Kollege mit Lastenrad unterstützt. Diesen Service böten sie mittlerweile wieder an, weil viele Leute den Gang in die Stadt mieden.
Für die passionierte Buchhändlerin ist der Kundenkontakt das wichtigste: "Sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, Empathie spüren und zeigen – das ist ein Geben und Nehmen zwischen Kunde und Buchhändler." So bekomme auch sie immer wieder tolle Tipps. Das hätten Gespräche beim Ausliefern oder am Telefon nicht ersetzen können. Mittlerweile sind die Buchhandlungen zwar wieder geöffnet, aber Probleme gibt es dennoch. Heim erklärt: "Wir sind eigentlich mitten im Weihnachtsgeschäft, aber davon ist nichts zu spüren." Normalerweise bräuchten sie um diese Zeit drei oder vier Mitarbeiter mehr.
"Im Frühjahr ist es sehr schwierig gewesen", erzählt auch Regina Kaiser-Götzmann, Inhaberin der "Bücherstube an der Tiefburg". "Der Lockdown war einschneidend, weil wir sehr unvorbereitet schließen mussten." Praktisch vom einen auf den anderen Tag hätten sie deshalb einen Lieferservice per Fahrrad auf die Beine gestellt. Es gibt ihn auch heute noch.
"Das wurde von unseren Kunden sehr gut angenommen", erzählt sie. Vielen sei in dieser Zeit erst aufgefallen, dass die örtlichen Buchläden schon immer über Nacht Waren bestellen konnten. Die "Bücherstube an der Tiefburg" ist mittlerweile die älteste inhabergeführte Buchhandlung Heidelbergs. Vor 38 Jahren hat Kaiser-Götzmann sie gegründet. "Wie die Kollegen in anderen Stadtteilen sind wir ja nicht nur eine Buchhandlung, sondern auch ein Treffpunkt und ein Kulturort", berichtet sie. "Das ist etwas, das Amazon nie ersetzen kann."