„Ich will eure Gedanken haben!“, fordert Dozentin Ulrike Krauth die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Online-Kurses auf. Foto: bms
Von Maria Stumpf
Heidelberg. Manchmal schreibt das Leben die Geschichten. Manchmal tun es Menschen. Am Anfang stehen Figuren, vielleicht ein Konflikt oder Freundschaft. Es geht auch um Träume, Liebe oder Heiteres. Oder um den Tod. Das alte Genre "Kurzgeschichten" liegt im Trend – und die Volkshochschule Heidelberg hat die Zeichen der Zeit erkannt und bietet einen Kurs über das Schreiben von Kurzgeschichten an. Kurz und bündig richten sich die nachdenklichen Worte an Leserinnen und Leser, lassen sich nicht weglesen wie viele Romane. Wegen der Corona-Pandemie fand der Kurs nicht als Präsenz-Unterricht statt, sondern im Netz über "Zoom". Funktioniert das gut? Die RNZ hat es ausprobiert.
Die Voraussetzungen für die Teilnahme an dem Online-Meeting: eine stabile Internetverbindung, ein Laptop, ein Tablet oder ein PC. Per Link geht es direkt zur Veranstaltung. Bei Vorträgen sind Kamera und Mikrofon nicht unbedingt notwendig, bei Seminaren schon. Vielleicht ist der Umgang damit zunächst noch etwas ungewohnt, aber das legt sich schnell. Wir 13 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchbrechen an diesem Samstag die virtuelle Wand mit viel Neugier, Lebendigkeit und Offenheit. Dozentin Ulrike Krauth formuliert es so: "Ich will eure Gedanken haben!"
Was alle verbindet, ist die Freude am Schreiben. Matthias hat mal Physik studiert, Gitta ist Erzieherin, Rentnerin Elisabeth mag Gedichte, Sabine sucht als Unternehmerin Abwechslung vom Alltag, Elena möchte ihren Kindern Geschichten erzählen, und Hans arbeitet in der Kommunikationsbranche. Einen "Ort der Freiheit" sehen sie im literarischen Genre der Kurzgeschichten. "Es ist ein ganz anderer Schreibbereich", erklärt Hans. Vielleicht deshalb: Die Kurzgeschichte verlangt im Tausch gegen die schnelllebige Zeit in den Sozialen Medien oder im Serienalltag von Netflix und Co. aufmerksames Lesen. "Den Moment im Leben festhalten", beschreibt Gitta die Aufgabe: "wie ein Schnappschuss in Schwarz-Weiß". Matthias schaltet sein Mikro zu. "Eher in bunten Farben", meint er.
Man spricht über Werke von Ernest Hemingway, Wolfgang Borchert, Leo Tolstoi oder Dorothy Parker. Dozentin Ulrike Krauth lässt den Diskurs fließen, moderiert, nimmt Gedanken auf, lenkt das Gespräch – bevor sie in den kommenden Stunden des Tages das Handwerkszeug des Kurzgeschichtenschreibens in Theorie und Praxis vermittelt. "Was ist wichtig? Der Rest muss raus", erklärt sie den Rahmen der Kurzgeschichte. "Autor sein heißt, Entscheidungen treffen."
Also kein Story-Aktionismus: Die Texte – meist aus dem Alltag gegriffen – sind atmosphärisch dicht geschrieben mit wenigen Charakteren, haben keine eigentliche Handlung, keine chronologischen Verdrehungen und kurze Zeitabläufe. Für Leser bedeutet das, dass man zwischen den Zeilen lesen muss. Wenige Plot-Points (Handlungspunkte) als dramaturgische Hilfen verändern den Verlauf, vertiefen Verständnis, halten Spannung. "Eine Kurzgeschichte kann bis zu 50 Seiten haben, danach reden wir von einer Erzählung", erklärt die Dozentin.
Die 54-jährige Mannheimerin arbeitet als Autorin, Dramaturgin und Dozentin für Literatur, Drehbuch und Film seit einigen Jahren auch an der Heidelberger Volkshochschule. Ab März 2020 hat sie sich den Herausforderungen des Corona-Alltags gestellt. Online-Kurse seien "nichts für langweilige Leute, denn da muss was passieren vor der Kamera", beschreibt sie ihre Aufgabe. "Es ist schon anstrengender, man ist ständig präsent." Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern trotz Online-Kurs "eine Wohlfühl-Ebene" zu geben, sei eine Herausforderung, mache aber auch Spaß. "Und das geht auch bei Kurzgeschichten-Schreibkursen. Die Nachfrage steigt."