Serge Ze kommt ursprünglich aus Kamerun. Nach dem Abitur in Paris und einem Streit mit seiner Familie, wollte er eigentlich wieder dorthin zurück. In Heidelberg studierte er dann Zahnmedizin. Foto: Friederike Hentschel
Von Marion Gottlob
Heidelberg. Gleich mehrmals änderte sich das Leben von Serge Ze von heute auf morgen: "Das war heftig, dann habe ich mich angepasst und die Verantwortung übernommen." Nun ist er der erste Heidelberger Zahnarzt mit afrikanischer Herkunft. Zuvor war er der erste Afrikaner, der an der Heidelberger Universität das Zahnmedizin-Studium abgeschlossen hat. Er sagt: "Mir sind viele Engel begegnet, die mir geholfen haben. Sonst hätte ich das nicht geschafft."
Es ist ein Leben voller Neugier, Abenteuer und Mut. Zunächst war vieles normal: Serge Ze ist bei seiner Mutter, seinem Stiefvater und als ältestes Kind mit acht Geschwistern in Kamerun aufgewachsen. Als Serge 17 Jahre alt war, schickte sein Stiefvater ihn nach Frankreich, um in der Nähe von Paris im Internat das Abitur zu machen. "Das war großzügig." In dem fremden Land hatte der Jugendliche erst einmal Heimweh. Dann legte er sich ins Zeug und machte ein gutes Abitur.
Serge Ze schrieb sich für ein Studium der Medizin ein: "Meine Mutter war Hebamme. Ihr Umgang mit Menschen war für mich ein Vorbild." Mitten im Studium kam es zu Spannungen mit der Familie, die finanzielle Unterstützung fiel weg. Serge Ze stand von einem Moment auf den anderen vor dem Nichts. Heute sagt er: "Das war schwierig, aber im Rückblick bin ich froh, denn so wurde ich wirklich erwachsen."
Er kann die Jobs nicht zählen, mit denen er sich über Wasser hielt: Möbel-Schlepper, Lagerarbeiter und Nachhilfelehrer. Parallel machte er das Vordiplom im Fach Biologie. Nach zwei Jahren hatte er genug Geld für die Heimreise gespart, um dort Geschäftsmann zu werden. Eine Cousine, die in Heidelberg studierte, besuchte ihn: "Warum möchtest du nach Hause zurück? Mit deinen Begabungen solltest du weiterstudieren. Komm nach Heidelberg."
Serge Ze saß schon auf gepackten Koffern und änderte seine Pläne. Kurz darauf begann er ein Studium der Zahnmedizin in Heidelberg. Der nächste Engel stand bereit: Für den Neuling legte ein afrikanischer Student die Kaution für einen Wohnheimplatz aus. Serge Ze: "Ich bin ihm bis heute dankbar."
Das Studium der Zahnmedizin war teurer als gedacht. Man benötigt zahnärztliche Koffer mit Instrumenten zum Üben. Mehrere 1000 Euro sind rasch ausgegeben. Wieder kam ein Engel in Gestalt einer Mitarbeiterin eines Dentaldepots und bezahlte die Ausrüstung.
Nach dem Vordiplom übernahm Serge Ze den Nachtdienst im Altenheim St. Anna. "Eine Herausforderung." Es war eine harte körperliche Arbeit. Er begegnete dort dem Tod: In den Nächten begleitete er Sterbende mit Trost und Gesang. Was passierte, als alles zu viel wurde? Genau, ein Engel in Gestalt der Tochter einer Seniorin bemühte sich um ein Stipendium des Diakonischen Werks für Serge Ze. "Ich konnte lernen und das Studium abschließen." Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsklinik Heidelberg bei Prof. Peter Rammelsberg.
Serge Ze hat an der Universität den Verein für kamerunische Studierende und Wissenschaftler sowie den Verein für afrikanische Studierende in Heidelberg gegründet. Als ein Freund starb, sang er mit anderen auf der Beerdigung – und gründete den Chor "Manita". Der Name bedeutet "Wir halten zusammen". Der Chor sang bei der Amtseinführung von Oberbürgermeister Eckart Würzner. Mit dem Chor hat Serge Ze unter anderem 10.000 Euro gesammelt, um nach dem Erdbeben in Haiti Waisenkindern zu helfen.
Und Serge Ze verliebte sich in Heidelberg und gründete eine Familie. Einige Zeit später ging die Familie nach Französisch Guyana. Aus geplanten zwei Jahren wurden mehr. Er baute eine Praxis auf: "Patienten kamen von 4 Uhr morgens bis 20 Uhr abends." Als die Familie den Aufenthalt in Übersee beendete, pendelte Serge Ze zunächst zwischen Französisch Guyana und Heidelberg.
Im vergangenen Jahr kehrte Serge Ze über Paris an den Neckar zurück: "Ich war im letzten Zug nach Deutschland, bevor wegen der Corona-Krise die Grenzen geschlossen wurden." Im Lockdown hatte er Zeit für die Familie. "Das habe ich genossen." Nun hat er in Heidelberg eine Zahnarzt-Praxis gegründet. Der Vater von drei Kindern sagt: "Hier habe ich eine Heimat gefunden."